Inhaltsverzeichnis:

 

  1. Vorwort                                                                                                                    S. 1
  2. Das Münsterland im 17. Jahrhundert                                                                   S. 2
  3. Die Archidiakone                                                                                                   S. 2
  4. Die Reformation und ihre Auswirkungen im Münsterland                                 S. 5
  5. Die Hexenverfolgung im Münsterland                                                                  S.7
  6. Pastor Henricus Müller (1600-1614)                                                                   S. 8
  7. Pastor Theodor Schöttler (1618 - 1663)                                                             S. 9
  8. Pastor Petrus Wegmann (1663 - 1703)                                                              S. 9
  9. Pastor Henricus Speckmann (1703 - 1718)                                                       S. 11
  10. Pastor Bernhard Diedrich Nagel (1718 - 1750)                                                 S. 11
  11. Pastor Theodor Hermann Schwerbrock (1750 - 1778)                         S. 25
  12. Franz Joseph Jochmaring (1779 - 1807)                                                S. 32
  13. Schluss                                                                                                                    S. 35
  14. Anhang                                                                                                                    S. 36

 

Vorwort

 

Der hier vorliegende Abriss über die Pfarrgemeinde St. Benedikt  in Herbern umfasst einen Zeitraum von ungefähr 200 Jahren, und zwar von 1600 - 1807. Neben der im Anhang aufgeführten Literatur haben sich die Autoren mit den Protokollen der Archidiakone befasst, die allesamt im Bistumsarchiv Münster aufbewahrt liegen (Bistumsarchiv Münster, St. Benedikt Herbern, Archiv Generalvikariat Münster).

 

Unser vordringliches Anliegen war dabei, nicht nur einen chronologischen Überblick zu verschaffen. Vielmehr wollten wir Einblicke gewähren in das bunte, aber auch oft qualvolle Leben der Parochianer (Gemeindemitglieder), wie sie die Stürme der Zeit in Form von Seuchen und Kriegen er-(über-)lebt haben. Herausgekommen sind dabei teils lustige, aber auch teils ernste Zeitbilder,

Außerdem galt unser Bemühen, die Begebenheiten und Ereignisse in ihren jeweiligen größeren zeitgeschichtlichen Zusammenhang einzubetten. Ich denke, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Darstellung der Lebensumstände in der Gemeinde St. Benedikt, Herbern, durchaus als exemplarisch anzusehen sind für das Leben der ländlichen Bevölkerung im westlichen und südlichen Westfalen. In diesem Zusammenhang sei auch hingewiesen auf die Abhandlung „Das dörfliche Leben im Kirchenjahr“.von den gleichen Autoren.

 

Ein besonderer Dank gilt hierbei Josef Kemming, der die entsprechenden Doku-mente aus dem Bistumsarchiv in Münster in mühseliger Kleinarbeit durchgeforstet und teilweise aus dem (Kirchen-)Latein übersetzt hat. Meine Unterstützung war dabei eher formaler und beratender Art.

 

Hier noch ein Hinweis zur Legende: Quellentexte werden grundsätzlich in kursiver Schrift und Anführungszeichen wiedergegeben. Sofern nicht anders angegeben stammen die Quelltexte allesamt aus dem Bistumsarchiv Münster. Anmerkungen der Autoren in den Quellentexten werden in [eckigen Klammern] dargestellt,

 

Herbern, im März 2009

 

Egon Zimmermann

Die Pfarrgemeinde St. Benedikt Im 17. und 18. Jahrhundert

 

Untersucht man die Geschichte unserer Pfarrgemeinde, so stellt man fest, dass wir gar keine Beziehung mehr zum 17. und 18. Jahrhundert haben. Vielleicht schlummert bei dem Einen oder Anderen noch einiges verschwommenes Schulwissen von den schlimmen Kriegen, wie der 30-jährige oder der 7-jährige genannt werden, die Not und Elend über unser Land brachten, oder den napoleonischen Kriegen mit den gewaltigen Umwälzungen. Als Fazit kann man festhalten, dass neben diesen Kriegen doch immer soziale Konflikte das tägliche Leben beherrschten. Man denke nur an das Geflecht der Abhängigkeiten von Adel, Kirche und Bürgern. Nichtsdestoweniger war es gerade die Kirche (St. Benedikt), die so etwas wie ein Bindeglied zwischen den einzelnen Schichten darstellte. Wenden wir uns aber zunächst einmal der Chronologie der Ereignisse zu.

 

Gebaut wurde unsere heutige Kirche unter Pfarrer Wegmann bald nach dem schrecklichen 30-jährigen Krieg als Ersatz für ein im Krieg verfallenes Gebäude. Welch eine Begeisterung und welch eine Aufbruchstimmung müssen  in der arg geschundenen Gemeinde geherrscht haben, ein solches  Bauwerk zu beginnen. Dieser  Zeitgeist spiegelt sich auch bei den Adeligen wider, denn im gleichen Zeitraum wurden noch das Schloss Westerwinkel und Teile von Schloss Itlingen erbaut. Die Not der Bevölkerung lässt sich nur erahnen; denn trotz des Friedensschlusses von Münster (1648) litt das Dorf immer wieder durch stationiertes oder durchziehendes Militär mit den einhergehenden Repressalien, Quälereien und Plünderungen durch die Holländer, die Franzosen oder die Soldaten des Bischofs, die Engländer, Preußen und die Kaiserlichen.

 

In einer undatierten Notiz des Pfarrers Wegmann (1663-1703) heißt es: „Den 13 Xbris  angefangen zu arbeiten ahn den Wandenbrecken zu der Herberischen Kirch“ [Am 13. Dezember Beginn der Abbrucharbeiten der Kirche in Herbern]  Über Baustil, Baufortschritt, Abwicklung und Ausstattung des Gebäudes ist im Wesentlichen von Julius Schwieters1 alles gesagt, deswegen beschränken wir uns hier über den Zustand der christlichen Gemeinde und das Leben der Bürger in der Gemeinde, soweit es die Quellen hergeben.

 

Man muss wissen, dass in dieser Zeit das Bistum Münster die geistliche und die weltliche Macht ausübte und dieser Zustand erst auf Druck Napoleons beendet wurde. So findet man im Pfarrarchiv, das vom Bistum in Münster verwaltet wird, nicht die meisten Informationen. Aber aufgrund der Tatsache, dass die Bischöfe Johann von Hoya2 im 16. Jahrhundert und Christoph Bernhard von Galen (* 1606; † 1678) im 17. Jahrhundert regelmäßige Inspektionsreisen, wie vom Trienter Konzil (besonders in der dritten Sitzungsperiode 1562/63) gefordert, in ihrem Bistum durchführten oder durch den Archdiakon durchführen ließen und die vorgefundenen Zustände protokolliert wurden, lässt sich dort auch für Herbern ein Spiegel des damaligen menschlichen  Lebens mit allen Höhen und Tiefen rekonstruieren. Diese Visitationen wurden weiterhin regelmäßig zusammen mit den Sendgerichten durchgeführt und endeten mit der weltlichen Herrschaft des Bischofs unter Napoleon. In dem örtlichen Pfarrarchiv wird beschrieben, wie die Menschen durch Soldaten drangsaliert wurden und wie sich gleichzeitig nahezu alle Waren verteuerten. Anderseits stößt man auch auf die Beschreibung lustiger Begebenheiten mit Spiel und Tanz.

 

 

Abbildung 1: "Checkliste" des Archidakon in Latein

 

Das Fürstbistum Münster war seit 1193 in 29 Archdiakonate aufgeteilt, wobei Herbern zum Archdiakonat Winterswyk gehörte. Geleitet wurden sie von einem Archdiakon, der in der Hierarchie des Bistums, die überwiegend vom Adel besetzt wurde, eine hohe Führungsposition innehatte.  Die Archdiakone übten die geistliche Gerichtsbarkeit in Bezug auf  Vergehen gegen die Religion, die Kirchengebote und die bischöflichen Verordnungen aus. Ab dem 17. Jahrhundert übernahmen sie die Visitation der Gemeinden und Kirchen ihres Bereiches, die Leitung des Kirchenbauwesens, die Aufsicht über den Gottesdienst und die Kirchengerätschaften, außerdem die Prüfung und Anstellung der Geistlichen. Die Gerichtsbarkeit wurde in den sogenannten Sendgerichten (oder auch Synoden) ausgeübt.

 

Für die Visitationen, die unmittelbar nach dem Send durchgeführt wurden, gab es eine „Checkliste“, wie wir heute sagen würden. 25 Punkte wurden abgearbeitet, worüber ein Protokoll geschrieben wurde. Fast alle diese Protokolle sind noch vorhanden. Die Punkte bezogen sich auf die Kirche samt Inventar, auf Friedhof, Kapellen, Armenhäuser und Krankenhäuser, auf Geistliche, Küster, Lehrer und Hebammen, auf Gottesdienst, Religionsunterricht, Sakramentesspendung und Kirchenbücher, auf Kirchengüter und Einkommen des Pfarrers und der Vikare. Die Kirchen- und Armenprovisoren mussten an der Visitation teilnehmen.

 

Das Datum des jeweiligen  Sendgerichts wurde an zwei aufeinander folgenden Sonntagen von der Kanzel verkündet. Das Gerichtsverfahren begann mit einem feierlichen Hochamt sonntagmorgens  meistens um 7.30 Uhr, und beim anschließenden Beginn mussten alle Pfarrangehörigen in der Kirche versammelt sein. Abwesenheit wurde bestraft, und zwar - wie in folgendem Text ersichtlich -  mit  3 Maltern Hafer [=12 Scheffel, ungefähr 300 l]. Anklage wurde vom Pfarrer oder den Aydtschwörern (auch Eidtschwerern) erhoben. Verhandelt wurden alle möglichen Verfehlungen gegen Sitte und Kirchengebote wie Tanz und Feiern in der geschlossenen Zeit, Trinkgelage, uneheliche Geburten, Ehestreit und  vieles mehr. Die Aydtschörer waren vereidigte Bürger aus der Gemeinde, die das dörfliche Leben zwischen den Synoden zu überwachen hatten.

 

Als Beispiel hier eine Ankündigung des Besuchs des Archdiakons in Herbern 1727 zur Verkündigung von der Kanzel [publicandum] und zum Aushang.

 

„Demnach der heilige Send an künftigen Samstag soll gehalten werden durch den hochwürdigen Herrn Archdiaconus hieselbst, so wird hiemit anbefohlen allen und jeden, dass sie unter Straeft von 3 molt haberen in dieser Kirchen um Klock halb acht des morgens sich einfinden, welche dazu verbindlich seynd, auch den Send=haberen und sonsten andere gebühr müssen einbringenn,  die Aydtschwörer auch die excessen  deren darüber sie gestellt herauf sagen, sie nicht weniger die Kirchen und Armen provisores ihre rechnungen Ihnen und justifiziiren“.

 

[Sinngemäß: Durch den Archdiakon soll der heilige Send nächsten Samstag hier abgehalten werden. Daher wird allen, die erscheinen müssen unter Strafe von 3 Maltern Hafer befohlen, morgens um halb acht in der Kirche zu erscheinen.  Der Sendhafer und die Gebühren aus früheren Verhandlungen müssen abgeliefert werden. Die Aydtschwörer sollen die Verfehlungen der Leute, die sie überwachen, in Bezug auf Kirche, Armenversorgung und ihre finanziellen Rückstände vortragen.]

 

„In deme nun auch ehemalen auch im letzt gehaltenen Send gefohlen worden die leichwege und Kirchenwege zu befessenen, so were zu rathen, dass nun die Lehemme wenigstens im Dorff noch in diese Wochen verbesserte“.

 

[Sinngemäß: Beim letzten abgehaltenen Send wurde befohlen, die Friedhofswege und die Kirchwege zu befestigen, was nicht geschehen ist.  Daher wird dringend empfohlen, wenigstens im Dorf diese Woche noch die Reparatur durchzuführen]

 

„Die gebühr müssen vom hiesigen geistlichen, exempelweiß begräbnichs und jahresgebetts gelder stehen von etlichen ad 5. ad 6. jahren zurück, wie auch das geringe schulgeldt vor dem  Schulmeister, welches alles doch zu zahlen ehemalen synodaliter befohlen, wer sich nun vor Schaden hüten will, kann in dieser wochen vor dem Send sich mit der Zahlung einstellen.“

 

In dieser Ankündigung des „heiligen Sends“ ist grundsätzlich schon alles enthalten, was ein Sendgericht ausmacht: Da wird die Anwesenheit aller um halb acht unter Strafe von 3 Maltern Hafer befohlen, die Aydtschörer werden ermahnt, alle Verfehlungen anzuzeigen, rückständige Abgaben für die Kirche und das Armenwesen werden angemahnt und auf die Urteile des letzten Sends wird hingewiesen. Die Kirchwege sollten ausgebessert werden, was bis dahin wohl noch nicht geschehen war, und es wird befohlen, dass in der laufenden Woche wenigstens im Dorf die Wege ausgebessert werden. Dann sind da noch die Rückstände über 5...6 Jahre an Gebühren für die Geistlichkeit und an Schulgeld, die zu zahlen in der laufenden Woche befohlen wird.

 

Zunächst werfen wir einen Blick auf das religiöse Leben vor und nach dem großen Krieg in unserem Bistum. Im 16. Jahrhundert sympathisierte Münster und das Münsterland mit dem Protestantismus oder war ihm ergeben. So errang die lutherische Partei am 03. März 1533 einen überwältigenden Sieg. Interessant ist auch, dass im sogenannten Dülmener Vertrag vom Februar 1533 der Münsteraner Bischof Franz von Waldeck die Reformation in den Pfarrkirchen akzeptierte. Allerdings führte er 1535 nach der Niederschlagung der Wiedertäuferbewegung den Katholizismus wieder ein. Die Protestanten stützten sich als Minderheit in der Bevölkerung auf die hochangesehene Mittelschicht der Handwerker und Kaufleute, weniger auf die Landwirte und Tagelöhner. Die Bischöfe der Stadt waren weitgehend dem katholischen Glauben entfremdet und standen der Reformation teils offen, teils verdeckt positiv gegenüber. Trotz intensiver Rekatholisierung durch die Jesuiten in Zusammenarbeit mit dem Bischof ergebenen Klerus und getreuen Katholiken ab 1588 war das evangelische Gedankengut noch lebendig. Die Jesuiten waren in Münster und den größeren Orten des Münsterlandes mit großem, dauerhaftem Erfolg aktiv.  Wie aber die Visitationsberichte aussagen, waren Spuren der Reformation noch lange in den Köpfen der Leute vorhanden. Fast alle deutschsprachigen Bibeln stammten von Luther, ebenso waren viele der Schulbücher, soweit es welche gab, mit protestantischem Gedankengut durchsetzt. Selbst in dem Schulunterricht wurde protestantisches Gedankengut verbreitet, da die Lehrer, die vorher evangelisch gewesen waren, jetzt katholisch wurden, um die Stelle zu behalten. Häufig war der Katechismus der evangelische. Die Jesuiten in Münster hatten dort und andernorts an wichtigen Schulen zwar konsequent die Lehrer ausgewechselt, aber in den kleinen Gemeinden war man da nicht so genau. Ob der Küster Protestant oder Katholik war, interessierte kaum jemanden. Wichtig war, dass er einige lateinische Choräle singen und dass er dem Pfarrer zur Hand gehen konnte. Zudem war das Leben der Küster und Lehrer ärmlich und entbehrungsreich. Pfarrer, die der evangelischen Lehre zugeneigt waren, ließen sich häufig einen Bart wachsen und behielten ihn, auch wenn sie katholische Gemeinden führten. Bei der katholischen Kirchenaufsicht aber war der Bart aus hygienischen Gründen äußerst unerwünscht, da er bei Messhandlung in den Kelch hängen konnte.

 

Auch darf man nicht vergessen, dass die Kenntnisse in katholischer Religionslehre überaus schwach waren. Zwar wurde in den Schulen, soweit welche vorhanden waren und auch betrieben wurden, überwiegend Religion gelehrt, aber die praktizierte Religion war mit dem heutigen Verständnis nicht zu vergleichen. Da die Umgangssprache Plattdeutsch war, die Schulsprache aber das Hochdeutsch (Luthers), das sich seit dem 16. Jahrhundert als Amtssprache durchgesetzt hatte, waren besondere Lehrtechniken in der Schule notwendig. Ferdinand von Bayern, Bischof in Münster von 1612 bis 1650 und Fürstbischof zu Köln, gab 1613 einen Katechismus in Druck, der in deutscher Sprache verfasst war und im Wesentlichen aus Merksätzen bestand. Nach dem Frage- und .Antwortsystem gab es Sätze wie diese:

 

„Frog. Wat glovens bistu?

Ick bin eyn Rechtgelovig Christ!

 Frog. Wem sall man vor eynem Rechgeloevigen Christen halden?

Densoelvigen, so na empfandener Döpe, gelovet, wat de alde Catholisch Römische kercke gelovet.“
[Frage: Was glaubst du? Antwort: Ich bin ein rechtgläubiger Christ!

Frage: Wen soll man für einen rechtgläubigen Christen halten? Antwort: Denjenigen, der nach empfangener Taufe glaubt, was die alte römisch katholische Kirche glaubt; d.Verf.]

Ob die Lehrer sich einen solchen Katechismus leisten konnten, bleibt dahingestellt. Bücher waren sehr teuer und blieben für die meisten Lehrer unerschwinglich.

 

Wie erlebte man als Kind die Welt und wie lebte man als Erwachsener in dieser dörflichen Welt? Es war eine bäuerlich geprägte Umwelt, in der die größten verfügbaren Kräfte die eines Pferdes und die Wasserkraft von der „Brügger Mühle“ waren. Die schnellste Reisegeschwindigkeit war die eines galoppierenden Pferdes. Die Natur hatte viele Gesichter und griff hart in die Landwirtschaft ein, so wie das Wetter die Ergebnisse der Arbeit mitbestimmte, eine harte Arbeit, die dem Jahresrhythmus angepasst war. Als Kind lernte man sehr schnell die Abhängigkeiten erkennen und fand sich früh mit Aufgaben bepackt im System wieder. Die religiöse Erziehung wurde im Elternhaus geleistet, wo meistens drei Generationen unter einem Dach sehr eng zusammen wohnten. Da auch die Landschaft prägend auf die Menschen einwirkte und das feuchte Münsterland mit seinen grundlosen Wegen großes Reisen verhinderte, bildeten sich Geschichten und Sagen heraus, die von Generation zu Generation in der Familie, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft weitergegeben wurden. Hexenglauben, Spuk- und Heiligengeschichten färbten so zwangsläufig die religiöse Überzeugung. Nur zum Teil prägend für das religiöse Leben waren die Geistlichkeit und die ihnen unterstellten Lehrer.

 

Hohe Sterblichkeit in jedem Lebensalter, Seuchen, Hungersnot und Drangsal durch Soldaten schufen eine Lebenshaltung, die den Tod täglich erwartete. Trotzdem bildete sich eine pralle Lebensfreude mit den sinnlichen Genüssen des Barocks heraus. Keiner in Westfalen spiegelt so sehr in seinen Werken den Geist der Zeit wieder wie der Architekt Konrad Schlaun3. Man lebte in dem Korsett des Absolutismus und hatte sich eingerichtet. Kirchensteuern gab es noch nicht, anstelle dessen standen die jährlichen Abgaben an den Pfarrer, das sog. „Messkorn“, das die Bauern und ein Teil der Dorfbewohner zu entrichten hatten. Die örtliche Kirche mit dem gesamten Umfeld wurde von der Gemeinde und dem örtlichen Adel unterhalten, und zwar durch Schenkungen, Stiftungen oder Immobilien, deren Zinserträge der Kirche oder dem Pfarrer, zum Teil zweckgebunden, direkt zuflossen. Die Versorgung des täglichen Bedarfs geschah durch den eigenen Garten und die Landwirtschaft. Dazu kamen die sogenannten Stolgebühren, die Kosten für die Verrichtung geistlicher Handlungen. Eine genaue Aufstellung über die Einkünfte der Pfarrei erfolgt später beispielhaft in einem Visitationsbericht des Archdiakons. Hier sei noch einmal hingewiesen auf den Nachlass4 des aus Herbern stammenden Pfarrers von Ottenstein, Pfarrer Johann Bernard Spahn, um 1708 in Herbern geboren. Durch die Aufstellung und Bewertung der Güter wird beispielhaft klar, dass der Stand des Pfarrers im 18 Jahrhundert ein durchaus wohlhabendes Leben ermöglichte.

 

Heute kann sich keiner mehr vorstellen, wie mühsam und beschwerlich Transport und Reisen im gesamten Münsterland waren. Über die Zustände der Wege im Münsterland, wie sie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vorwiegend waren, hat Fabio Chigi, der Moderator des „Westfälischen Friedens“, in einer Reisebeschreibung in lateinischer Sprache und in Form eines Hexameters viel berichtet. Fabio Chigi war ab 1650 Papst Alexander VII. und hat die Gestaltung des Petersplatzes in Rom veranlasst.

Der angeführte Bericht ist eine Beschreibung des Weges von Münster bis Lüdinghausen, den er am 13 .Dezember 1649 nahm:

 

 “Wir kamen zügig voran – außer dort, wo unsere Wagen von Schlaglöchern, deren Tiefe man nicht erkennen konnte, und von morastigem Boden behindert wurden. Einmal musste ich mit ansehen, wie eine Brücke, die eigentlich einen recht stabilen Eindruck machte, in sich zusammenbrach und einen schweren Lastwagen mit Kleidern und Büchern ins Wasser riss! Mit vereinten Kräften richteten meine Männer den Wagen wieder auf, aber bald schon saß er wieder im Schlamm fest. Selbst 12 Pferde schafften es schließlich nur unter größter Anstrengung, ihn herauszuziehen. Als die Sonne bereits unterging, hatten wir daher zum Einen noch die Hälfte des Weges vor uns, zum Zweiten ein schweres Hindernis, gegen das das bisher Erlebte geradezu harmlos war: Weit und breit war alles hoffnungslos überschwemmt. Und da man die Wege schon lange nicht mehr mit Hacken bearbeitet hatte, war es einerseits fast unmöglich, sich mit dem Wagen vorwärts zu bewegen, aber anderseits war das Wasser doch zu niedrig, um Kähne zu benutzen....Am späten Abend – der Mond war schon aufgegangen, nahm er (ein Domherr aus Münster) uns in Lüdinghausen auf.“5

 

Wenn man sich den Weg vor Augen führt, den Fabio Chigi genommen hatte, so sind das ca. 25 km. Der Streckenverlauf wird der Kappenberger Damm von Münster aus gewesen sein, weiter verlaufend über die Viehstrasse zwischen Senden und Ottmarsbocholt und dann nach Lüdinghausen. Er passierte die feuchte Davert und das Venner Moor und erlebte dann sicherlich hautnah ein Steverhochwasser.

 

Nicht unerwähnt bleiben sollte die Zeit der Hexenverfolgung, die im Münsterland im 16. Jahrhundert besonders arg wütete und im 17. Jahrhundert noch nicht vorbei war, aber den Höhepunkt überschritten hatte und im frühen 18. Jahrhundert vollständig beendet war. In Gerichtsverfahren waren „peinliche Verhöre“ (Folter) noch möglich, die Strafen waren oft hart und für unser Verständnis unmenschlich. Todesurteile wurden auch in Herbern vollstreckt, wozu ein Galgen an verschiedenen Orten aufgebaut wurde. Dies läst sich vielfach belegen durch dokumentierte Ausgaben über den Transport der Galgenleiter: „Für Her- und Hintragung der Galgenleiter von Fronings Hoff bei Justifizirung von Zigeunern 4 Thlr 14 Schill“ oder „behufs der am 2. Mai uffgerichteten Galgenleiter, da der Haarfeld gehangen, 1 Thlr., 14 Sch., 1 Pfg.“ in den Jahren 1726 und 1731. 6

 

Wie das Leben der Gemeinde in der Glaubensgemeinschaft unseres Dorfes sich abspielte, soll im Folgenden rund um die Pfarrer in ihrer Zeit anhand vorhandener Dokumente dargestellt werden. Dabei handelt es sich um folgende Geistliche:

 

                        1600 – 1614             Henricus Mühler

                        1618 – 1663             Theodor Schöttler

                        1663 – 1703             Petrus Wegmann

                        1703 – 1718             Henricus Speckmann

                        1718 – 1750             Bernard Diedrich Nagel

                        1750 – 1778             Theodor Hinrich Schwerbrock

                        1779 – 1807             Franz Joseph Jochmaring

 

Pastor Henricus Mühler (1600-1614)

 

Pastor Henricus Mühler war der erste Pastor, der dauernd in Herbern wohnte und erstmals „Verus Pastor in Herberen“ genannt wurde. Die Person, die uns in den wenigen Dokumenten entgegentritt, charakterisiert ihn als Kind der Zeit, in der der Bischof durch regelmäßige Kontrollen die katholische Religion festigen und das Wirken der Pfarrer wieder auf Seelsorge und Lehre ausrichten will. Besonderes Augenmerk wird auf den Zölibat gelegt, da es nicht ungewöhnlich war, dass der Pfarrer eine Frau an seiner Seite hatte. In den Protokollen des kirchlichen Senats von 1601 – 1613 steht unter anderem: „Hermano Muluar pastor in Herberen respondit in vim juramenti alias praestiti ut sequitur.......“

[Hermann Mühler, Pastor in Herbern, antwortete, durch Kraft des Eides offen gelegt, wie folgt:

Er verwalte die Sakramente im katholischen Sinne, er lehre seine Leute in Glaube und Hoffnung, er habe Arbeit über Arbeit, er spende sehr häufig die Krankensalbung, er sei Pastor in Oer gewesen, das zum Bistum Köln gehörte, er habe in der Gemeinde 3 Ketzer, die Juden seien...er führe das Tauf- und Eheregister, er lehre den Katechismus manchmal nach dem Mittagsessen, manchmal zu Beginn des letzten Tagesdrittel, er habe ein Herbarium, welches im Hause des Doktors der Medizin sei, wonach, so habe er gesagt, bereite er Medizin, die irgendwelche Dämonen vertreibe; er habe keine Konkubine.

Die Herren sind gegangen mit der Empfehlung, dass er im Zölibat verbleibe und dass er den Katechismus lehre und auslege.

Der Pastor vom Lüdinghausen sei ihm zur Kontrolle zugeteilt, er werde zum ersten Monat wieder vorgeladen.] 7

 

Wie mag es zur Zeit dieses Pastors in Herbern ausgesehen haben. Die Quellen dazu sind sehr dürftig. Der 30jährige Krieg hat fast alle Dokumente zerstört. Übrig gebliebene Reste sind schon mehrfach untersucht und beschrieben worden. Das ein oder andere Haus, so wie wir es heute kennen, hat in seinen Grundzügen schon bestanden. So wissen wir mit Sicherheit, dass das „Schüttwäller“8 Haus in seinem Kern schon existierte: Ein Querbalken im östlichen mittleren Fachwerk neben der Haustür weist das Zimmermannszeichen mit der Jahreszahl 1579 auf.

 

Der Dorfbach, der noch offen durch das ganze Dorf floss, diente auch als Abwasserkanal. Man darf allerdings nicht das Abwasser von heute mit dem damaligen vergleichen. Fäkalien von Menschen und Tieren wurden in Jauchegruben gesammelt und überwiegend im Frühjahr als Dünger genutzt. Man verbrauchte wenig Wasser, das aus den Brunnen geschöpft werden musste. Strassen und Wege waren weder ausgebaut noch befestigt. Bei Regen muss es sehr schlammig und dreckig im Dorf gewesen sein und im Sommer sehr staubig. Der Dorfmittelpunkt war der Kirchhof (Friedhof) mit der Kirche. Nach neuesten Untersuchungen von Jan Brademann und Werner Freitag9 war in unserer Gegend der Kirchhof der zentrale Punkt im Dorfleben in allen seinen Erscheinungsformen.

 

Das 16. Jahrhundert war für die Menschen mühselig, hart und voller Not. Nicht allein die Glaubensspaltung belastete die Menschen im Bistum, weitaus schlimmer waren die Befreiungskriege der Niederländer in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts (ab 1585), die sich zum Teil im Münsterland abspielten. Abwechselnd plünderten Spanier und Holländer unsere Dörfer und hinterließen Tod und Elend. Die Spanier gaben vor, die Katholiken zu schützen und die Niederländer die Protestanten. Seit dieser Zeit wurden die Niederländer äußerst reserviert vom Münsterländer betrachtet. Zudem wütete die Pest. Hinzu kam die Hexenverfolgung, die in dieser Zeit ihren Höhepunkt erreichte und auch in unserem Dorf viel Unheil anrichtete. Es sollte aber noch unendlich viel schlimmer kommen.

 

 

Pastor Theodor Schöttler (1618 -1663)

 

musste während seiner Amtszeit die Schreckenszeit des 30-jährigen Krieges miterleben, geprägt von Verwüstung, Plünderung, Hunger und Tod in vielerlei Gestalten, vor allem aber auch die Pest, die in Herbern über 1700 Menschen dahinraffte.10

 

Im Jahre 1653, noch vor dem Neubau des Schlosses Westerwinkel in den Jahren von 1663 bis 1668, erhielt Theodor Hermann von Merveldt die Erlaubnis, auf seinem Schloss die Messe lesen zu lassen. Dieses Dokument ist eines der ältesten im Pfarrarchiv unserer Gemeinde. In Auszügen lautet es:

 

„Praenobile ac streno viro Dno Theodoro Hermano à Merveld , satrapie Wolbergensi, ut in arce sua Westerwinkell, loco decenti debite ornato atque in hunc usum segregato…ibidem celebratem,  sacrum missum officium, cum familia, audire possit, authoritate ordinaria licentium data esse, praesentibus manu mea ...attestor usque ad revocationem duratura.

Monasterii 1653 die 24 martii“

 

[Dem hochgeehrten und tatkräftigen Herrn Hermann Theodor vom Merveldt, Droste zu Wolbeck, wird erlaubt, auf seinem Schloss Westerwinkel mit seiner Familie die Messe zu hören. Für diese Handlung ist der Ort geziemend und passend ausgestattet. Diese Genehmigung wurde durch die Autorität des zuständigen Bischofs gegeben und durch meine Unterschrift bis zum Widerruf bestätigt.]

 

Wenn man das Dokument genau betrachtet, so stellt man fest, dass die Genehmigung für die Familie und das ganze Haus Westerwinkel galt, nicht aber für die Bevölkerung Herberns. Eine ähnliche Genehmigung für das Schloss Itlingen gab im 19. Jahrhundert den Anlass zu einem heftigen Streit, der an anderer Stelle behandelt wird.

 

 

Pastor Petrus Wegmann

 

Pastor Wegmann wurde in Werl geboren. Er studierte in Münster drei Jahre Theologie und wurde in Ahlen mit dem Titel eines Vikars ordiniert. Dann war er einige Zeit Kaplan in Ascheberg und wurde unter dem Generalvikar Vagedes in Herbern als Pfarrer eingesetzt. Er hatte alle Prüfungen bestanden und besaß die erforderlichen Zeugnisse. Pastorale Unterstützung erhielt er von Scholastikern aus Münster und von den Kapuzinern in Werne.  Erst ab 1667 wurde ihm  als Helfer der Kaplan Henricus Pininck zugeteilt. Die Pfarre in Herbern wurde ihm am Sonntag vor dem Fest der hl. Margaretha 1663 übergeben.

Abbildung 2 (links: Protokoll des Archidiakons; rechts: Das "Vagedes" Dokument

 

In dem Visitationsbericht vom 9. Nov. 1663, aus dem auch die vorgenannten Angaben stammen, heißt es weiter sinngemäß: “Das Haus des Pastors ist eine Ruine, ein Archiv gibt es nicht, Kirchenbücher über Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle, die früher fehlten, sind jetzt wieder in Ordnung. Das Kirchengebäude ist baufällig und kann jederzeit einstürzen. Der Hochaltar ist beschädigt, aber der Taufstein ist in gutem Zustand. Die Glocken sind aus dem Turm ausgebaut worden und hängen an einem Gerüst auf dem Friedhof. Die Taufe der Kinder findet vorübergehend in der Kirche des Hauses Itlingen  oder auf Schloss Westerwinkel statt und wird von den Hauskaplänen durchgeführt.  Die jährliche Prozession findet am Fest des Patrons Benedikt statt. – Die fünf Hebammen sind nicht geprüft, aber ausgebildet. Heiratswillige werden nicht unterrichtet, es gibt aber auch keine Mischehen. Heinrich Lunenkamp läutet zuverlässig die Glocken und erhält dafür von einem bestimmten Kolonen 2 Malter Roggen. Lehrer ist der 60 jährige Georg Kaldenkirchen, der gut unterrichtet. Früher war er Notar in Werne. Eingesetzt wurde er vom Pastor und vom Baron Nagel. Alle Einwohner sind jetzt katholisch, in den letzten drei Jahren sind fünf Personen konvertiert.“

 

Der Zustand des Kirchengebäudes muss katastrophal gewesen sein, denn der Pfarrer hat sich mit seiner neuen Pfarrgemeinde Ascheberg angeschlossen („Pastor in Herberen comparuit in Ascheberg cum suis Parochales“), vermutlich für die Zeit der Baumaßnahme.

 

Das Pfarrarchiv gibt für diese Zeit wiederum wenig her. Die eine oder andere Notiz ist aber sehr interessant. So notiert der Pfarrer:

Cordt Jürgens sol: die Kirchenplatze von allen seinen Unrath....(?) dass er das Haus aufn Kirchhoff bewohnt, und public nicht schuldig“ [Kurt Jürgens soll den Kirchplatz sauber halten. Dafür bewohnt er ein Haus auf dem Kirchhof.]

 

In den 40 Jahren seines Wirkens hat Pastor Wegmann außerordentlich viel geleistet. Seine Aufgabe war, aus der geschundenen und heruntergekommenen Gemeinde wieder eine lebendige Gemeinschaft zu formen, was ihm offensichtlich gelungen ist. Handwerk, Handel und Wandel  normalisierten sich und erlebten wieder erste Höhepunkte. Man braucht sich nur das Schloss Westerwinkel anzusehen, um zu erkennen, dass das Handwerk wieder erstarkt war. Der Pastor selbst muss sehr bescheiden gelebt haben, weil er einen erheblichen Betrag von seinem eigenen Geld in die Ausstattung des Kirchengebäudes steckte. Der tatkräftige Mann war maßgeblich am Neubau der Pfarrkirche St. Benedikt beteiligt, spendierte ihr sogar 200 Taler für die Anschaffung einer Orgel, eine für diese Zeit gewaltige Summe,. Unter seiner Federführung wurden auch der Hochaltar, die Kanzel und die Bänke angeschafft. (Sind heute alle nicht mehr vorhanden und bei den großen Renovierungen des 19. Jahrhunderts ersetzt worden). Zusammen mit den Herren von Ichterloh gründete er die Vikarie bzw. Kaplanei11 im Jahre 1667, indem jeder 500 Taler spendete.12

 

Zu seiner Zeit litt man noch überall an den Folgen des schrecklichen Krieges und man wurde bald schon wieder durch die Aktivitäten des Bischofs Bernard von Galen (Bomben Bänd) mit den Lasten eines neuen Krieges beladen. Der Hexenwahn ging seit 1650 langsam zurück, die Geißel der Pest blieb noch einige Jahre.

 

 

Pastor Henricus Speckmann

 

sorgte dafür, dass die Pfarrkirche 1708 eine Turmspitze erhielt. Die Kosten in Höhe von 206 Talern wurden durch Kollekten, auch in den Nachbargemeinden, aufgebracht. Er gilt als der Begründer der „Todesangstbruderschaft“. (Dazu gibt es eine Mitgliederliste, die heute noch in St. Benedikt existiert.)

 

Anfang des 18. Jahrhunderts zur Zeiten der Pastöre Speckmann und Nagel befasst sich der Archdiakon mit der Ferienordnung im Dorfe. Es war allgemein üblich, dass die Kinder im Sommer gar nicht oder nur sporadisch zur Schule geschickt wurden, da sie für die Ernte gebraucht wurden. Nach der Aussage des vorliegenden Dokumentes aber waren Ferien nur im Herbst vorgesehen. Das wird mit der Verordnung geändert:

 

Demnach öffentlich publizirt worden dass die schulkinder ihre vacantion und ferien nicht im Herbst sondern wehren der Erndtzeit haben und genießen sollten und dann von den Pastores zu Herberen muß glaubhaft berichtet werden, als obmeldte vacatien nuhr 14 tags sich erstrecken sollten, als haben wir unser derosolch ausgelassenes Mondatum in so weit limittirt ,dass aus ange... ursachen bemelte herbst ferien ad 14 tags in tanti zu belassen......... dergestalt noch dass das ganze jahr hindurch abgeltermarßen die kinder die schule frequentirn auch der pastor loci so wohl als Schulmeister erenstlich zu befordern haben dass obiges alles von jedermannigliches nachgelebt und eingefolget werde....“

[Sinngemäß: Die Schulferien sollen nicht mehr im Herbst, sondern zur Erntezeit gewährt werden, und zwar 14 Tage. Wenn auch im Herbst Ferien gewünscht werden, so sind auch dann 14 Tage zu genehmigen. Ansonsten hat der jeweilige Pfarrer und Schulmeister dafür zu sorgen, dass die Kinder, für die Schulgeld bezahlt wird, die Schule besuchen. Darüber ist zu berichten.

 

Pastor Bernard Diedrich Nagel

 

Bernard Diedrich Nagel wurde am 7. 4. 1676 in Ahlen geboren. Ahlen war zu dieser Zeit schon vollständig durch die Aktivitäten der Jesuiten aus der Zentrale  Münster und der kleinen Niederlassung Warendorf zum katholischen Glauben zurückgeführt worden. Vermutlich hat er seine schulische Ausbildung an einer der guten, von Jesuiten geführten Schulen, erhalten und seine Ausbildung zum Priester in der auch von Jesuiten straff und modern geführten theologischen Fakultät in Münster genossen. Die Pfarrstelle in Herbern muss nicht begehrenswert gewesen sein, denn die beschriebenen Zustände in den Visitationsprotokollen sind alles andere als schmeichelhaft. Nagel hat aber sehr viel geleistet und bei seinem Tod geordnete Verhältnisse hinterlassen. In seinem mehrfach geänderten und ergänzten Testament hinterlässt er unter anderem einen Betrag von 50 Talern für die Anzahlung einer Feuerspritze und eines Wasserfasses. Auslöser für diese Donation waren vermutlich die verheerenden Brände, die während seiner Amtszeit seine Pfarrei heimgesucht hatten. Dadurch, dass die Bebauung sehr eng war und die Häuser überwiegend mit Stroh oder Schindeln gedeckt waren,  wüteten Brände als eine immer wiederkehrende Geißel, die ganze Ortschaften in Asche legen konnte. In  seinem Testament heißt es unter anderem:

 

 „Obgenante 50 Kreuztaler sollen sein zur feuersprütze wie... notirt...ich hoffe die auf pastorats gründen und im dorf Herberen wohnende werden... gerne dafür geben, weil es ihr vorteil mit ist so wohl als der übrigen.“ [Obengenannte 50 Kreuztaler sollen wie notiert für eine Feuerspritze sein und ich hoffe, dass die Dorfbewohner gern mehr dazu geben, weil es ihr Vorteil ist…]. In einem weiteren Punkt bedenkt er nochmals die Feuerspritze.

 

.“..oder zum sehr nützlichen Zweck einer machendem feuer sprütze anwenden wolle, was ihr gute freunde und Nachbarn, fünf hierzu resolviren wollet, und dass dieße fünfzig Taler zur feuer sprütze geben, so gebe ich aus meinen mittelen zur sprütze annoch 10 Taler, inständig ersuchend die gnädigen gutsherren und anderen wohltäter in und außerhalb Dorfs wohnende umb endlich daran zu seyn, damit das übrige zur pumpe als auch pumpenfaß geschwind verfertigt werde.“

 

[Sinngemäß:...wenn sich 5 gute Freunde und Nachbarn entschließen sollten, 50 Taler für eine Feuerspritze zu geben, so gebe auch ich zusätzlich 10 Taler, wobei ich die gnädigen Gutsherren und die anderen Wohltäter im Dorf und außerhalb des Dorfes inständig ersuche, den Rest dazuzugeben. So können Pumpe mit Zubehör und Pumpenfass bald gefertigt werden].

 

Pfarrer Nagel hat nicht nur an die Brandbekämpfung mit physischen Mitteln geglaubt; er hat auch zur Brandvermeidung den himmlischen Beistand empfohlen und dazu die Brandprozession zum wundertätigen Bild der Gottesmutter zu Altlünen ins Leben gerufen.

 

Dass zu Zeiten Pastor Nagels die Hexenverfolgung vorbei war und auch nicht mehr die Köpfe der Obrigkeit beschäftigte, zeigt nachfolgendes Dokument. Die Verwaltung geht darin mit allen Mitteln gegen eine Frau Maria Funcke vor, die sich in Herbern aufhalten und ihren Lebensunterhalt durch Wahrsagen und Sehen verdient haben soll. Eine Generation vorher wäre sie vielleicht noch als Hexe angeklagt worden, so aber sollte ihr die Lebensgrundlage entzogen werden. Was vor 30 Jahren noch Hexerei hieß, nannte man nun Aberglauben. Der Archdiakon schrieb dem Pastor zur Publizierung von der Kanzel:

 

„Nachdem man leyder vernommen, dass aldorten zu Herberen sich ein frauensperson mit Namen Maria Funcke sich aufhalte, welche Geister sehn zu können sich ausgibt, und sonsten mit Wicke [Wahrsagen] und andern abergläubischen Sachen denen Leuten was vorschwätzet, und dabei sich...wiederump...gegen publizierter Verordnung...erhoben.

Als wird dadurch allen und jedem bey 25 goldgülden straf...anbefohlen... sich gänzlich zu enthalten...auch diese Person kein aufenthalt oder obtach in ihren Häusern zu gestatten noch zu geben“

Dazu notiert der Pastor auf Latein: Durch mich, B. Th. Nagel, Pastor in Herberen 1745 von der Kanzel verkündet.

 

Pastor Nagel hinterließ weiter eine Fülle an Dokumenten, die das dörfliche Leben in seiner Amtszeit in ein lebendiges Licht rücken. Alles Erdenkliche notierte er, besonders Vorfälle in der Gemeinde, die ihm nicht passten und die er vermutlich dem Sendgericht vortrug. Da Papier in jener Zeit kostspielig  war, beschrieb er jedes freie Stückchen. Wenn die Niederschrift in deutscher Sprache nicht nachhaltig genug war, (oder wenn ihm die deutschen Worte zu obszön waren) wählte er das Lateinische.

Außerdem ließ er „auf dem Weg vom Dorf zum ´Eickschlot` einen Stationsweg mit sieben Stationen errichten“, 13 der dazu geeignet war, einen Ablass zu erhalten.

 

Der „Große Krieg“, wie der 30-jährige genannt wurde, lag über zwei Generationen zurück und war vergessen. Handel und Wandel und im Besonderen das Handwerk erlebten eine neue Blüte. Alle Hofstellen, die durch Kriegsfolgen und Pestseuche „wüst“ waren, hatten wieder Bewohner gefunden. Julius Schwieters nennt die Zeit des Pastors Nagel zum Teil „eine wohlfeile Zeit“. Zu Beginn seiner Amtszeit sah es noch anders aus: Durch Epidemien hatte die Dorfbevölkerung stark zu leiden und 1712 erreichte die Kindersterblichkeit einen Höhepunkt. Aus diesem Grund hat er wahrscheinlich  in Herbern  die „Pestmesse“ eingeführt. Die Straßen und Wege waren wie fast überall in einem schlechten Zustand, um nicht zu sagen katastrophalen. Immer wieder ist in den Archiven zu lesen, dass die Wege verbessert werden müssten und dass der Dorfbach „die Welle“ gereinigt werden müsse. Auf Druck des Hauses Itlingen verkündete der Pfarrer den Termin von der Kanzel und der Läuteküster zeigte den Beginn der Arbeiten durch Läuten der Glocken an.6

 

Trotz vieler widriger Umstände hat es in der Bevölkerung nicht an Lebensfreude gefehlt. Man wurde nicht unterhalten, man machte den Spaß selbst, oft zum Leidwesen des Pastors. Wenn der Pastor notiert:

 

„1741 in Junio bey Spahn auffm feldt 6 mägde die pflug gezogen, posten 1 tonne biers  an der bruggermolle  gesoffen. Dicant quinam fuerint arantes. Spahn veniat et dicat quinam“ [Im Juni 1741 haben bei Spahn auf dem Feld 6 Mägde einen Pflug gezogen; Aufpasser standen an der Brügger Mühle und haben dabei 1 Tonne Bier (ca. 75 l) gesoffen. Man sagt, es hätte einige Furchen gegeben. Spahn kam und bestätigte einige]

 

Daran kann man ermessen, welchen Spaß die Leute hatten. Musik und Tanz gehörten damals wie heute zur Jugend mit ihrem Optimismus. Dass die damals gültigen Grenzen immer wieder überschritten wurden, ist gut nachzuvollziehen. Dazu einige Notizen:

 

1737

ipse die pentecostes publice ante crucem saltarunt ad chelyn „die melcke mägde und die pirgsten braut“ [Selbst am Pfingsttag hat man öffentlich vor dem Kreuz zur Leier getanzt...]

mulies  Fritz Speckm. und Goswim Bohle dicent  was für mägde und junge gesellen. [Die Frauen von Fritz Speckmann und Goswin Bohle sagten aus, welche Mädchen und Junggesellen es waren.]

 

„1738

Lichtmess war kaum vorbei....an Schnettkers und Dykhoffs den Krantz aufgehangen und gewaltig geschossen.

Aschedag an Riven haus den gantz nachmittag auf der violin gespielet und getantzt, eben also an Schnetk und Dykhoffs haus.“ [Aschermittwoch hat man bei Riven den ganzen Nachmittag auf der Violine gespielt und getanzt; ebenso bei Schnettker und Dykhoff.]

 

Der Küster, im witzigen Sprachgebrauch auch „Halbhochwürden“ genannt, war wie auch in anderen Gemeinden, immer wieder eine kirchliche Person, an der man sich reiben konnte. Dazu gibt es einige Eintragungen vom Pastor:

 

„d 31. Mai 1737

Frantz Moritz und Gerh. Allfors mitter nacht umb die Kirch gegangen und laute gesungen. der Schäffer zu das mägelein sprach auff dem felt in der Kält in tentarem. Der Küster nimbt fremde (?) frau im arm. Worauff die aller häßligsten wörter die man nicht sagen darff. Gesänge so hart sie haben ruffen können. Darnach geruffen ist der Köster todt, so wollen wir auf d. Viol. spielen, tantzen und springen.“

 

[Franz Moritz und Gerhard Allfors sind mitternachts um die Kirche gegangen und haben laut gesungen: Der Schäfer zu dem Mägdelein sprach, auf dem Feld, in der Kält’ im Zelt. Der Küster nimmt eine fremde Frau in den Arm. Sie haben so laut wie sie konnten gesungen. Danach haben sie gerufen, dass sie beim Tod des Küsters auf der Violine spielen und tanzen und springen wollen]

 

„Auf laudate spielen Drei gesänge zum schimpff und spott deß Küsters.“

[Am Sonntag Laudate wurden drei Gesänge zum Schimpf und Spott des Küsters gesungen.]

„Dirk bennemans junge aufm chor dem Cüster bey die haar gezogen...            

narret custos 

[Dirk Bennemanns Sohn hat auf dem Chor den Küster an den Haaren gezogen...sagt der Küster]

„Auf laudate pueri dominum gesungen zum Schimpf und Spott des Küsters“

 

Streitereien und Vergehen in der Nachbarschaft, in der Familie oder sonst in der Gemeinde, soweit sie unter die Zuständigkeit des Sendgerichts fallen, sind zuhauf notiert, dazu einige Notizen:

 

„Krass uxor cum marito innocente ante annu ingentes rixas creabat (?) et excludit lilum domo mittendo(?) ejus vastas foras cum scandale cummunitatii“

 

[Vor einem Jahr hat Frau Krass mit ihrem unschuldigen Gatten einen fürchterlichen Streit begonnen und ihn mitten im Dorf  aus seinem eigenen Haus vor die Tür gesetzt, zum Skandal in der Gemeinde.]

 

Dass halbwüchsige Jungen vorlaut sind und ab und an Streiche oder Unsinn veranstalten, passte dem Pfarrer überhaupt nicht. Ein Jahr vor seinem Tod noch, im Jahre 1749 veranlasste er den Archdiakon, eine Verordnung zu erlassen, dass der Lehrer und der Küster für Disziplin bei den Jugendlichen zu sorgen hätten und im Bedarfsfalle diese zu bestrafen hätten. Weiter heißt es in dem Dokument:

 

auf gleiche arten soll es mit denen Jugen, welche auff dem Kirchhoff spielen, und mit Steinen und Schneeballen werfen auch flitzebogen schießen, die kirchfenster beschädigen und noch über das die Eltern zu ersetzung des dadurch verursachten Schadens schüldig erteilt werden.“

 

Auf dem Kirchplatz ließ sich herrlich spielen, wobei manchmal eine Scheibe der Kirchenfenster getroffen wurde. In den Berichten des Archdiakons wird wiederholt auf die zerstörten Scheiben der Kirchenfenster hingewiesen.

 

Das Verhältnis der Bevölkerung zur Obrigkeit, sprich Kirche oder Adel, ist sehr selbstbewusst. Liest man das Geschehen um die Sendgerichte aufmerksam, so stellt man fest, dass immer wieder die gleichen Punkte notiert werden. Man ist bei den Abgaben rückständig, die Wege sind in schlechtem Zustand oder das Dorfleben entspricht nicht den Moralvorstellungen und vieles mehr. Ein interessantes Licht auf das Dorfleben, der alle diese Punkte berührt, wirft der Visitationsbericht vom 17. August 1745,  der “wohlfeilen“ Zeit vor dem 7-jährigen Krieg, der hier in allen Punkten wiedergegeben werden soll. Es ist anzunehmen, dass diese Verordnung auf Anregung des Pfarrers erlassen worden ist, denn es werden in ihr alle Begebenheiten im Dorf, die Pastor Nagel wiederholt beanstandet und für das Sendgericht vorbereitet hat, abgedeckt.

 

„In visitatione Archdiaconali zu Herbern sind folgende Statuta gemacht:

Nachdem in vorhin gehaltenen Synoden bereits Verschiedenes zur Aufnahme der Religion und Besserung der Sitten dienlich und heilsamst verordnet, an itzo aber befunden, dass solche Verordnungen zur gebührenden Einfolge und Effekt noch nicht gebracht worden, als wird hiermit in gefolg oblauts angeführten Verordnungen nochmals verbotten“

[Nachdem auf den bisher gehaltenen Synoden Verschiedenes zur Aufnahme der Religion und zur Verbesserung der Sitten verordnet wurde, sich aber jetzt herausgestellt hat, dass es wenig gefruchtet hat, wird hiermit nochmals verboten]

 

„Alles Fuselsaufen und Zapfen an Sonn- und Feiertagen unterm Gottesdienst, dergestalten, dass im Misshaltungsfall der Zäpfer in 5 Goldgulden, der Trinker hingegen in 2 Goldgulden ohnachlässiger Straff zum ersten mahl verfallen, zum zweiten Mahl die Straff verdoppelt, zum dritten Mahle aber auf Befinden zum Zuchthaus gebracht werden solle.“

[Jegliches Schnapstrinken und Zapfen an Sonn- und Feiertagen während des Gottesdienstes; bei Verstoß zahlt der Wirt 5 Goldgulden, der Gast 2. Im Wiederholungsfall verdoppelt sich das Strafmaß, beim dritten Mal droht Zuchthaus (Gefängnis).]

 

„Gleichfalls werden an Sonn- und Feier-Tagen unterm Gottesdienst, wie auch im Advent und Fastenzeit in denen Wirtshäusern die Musik, und auch an solchen Tagen zur Ungebühr eingeführte Hochzeiten und Kindertaufliche Mahlzeiten inhibirt“

[Verboten ist weiterhin Musik in den Wirtshäusern an Sonn- und Feiertagen während des Gottesdienstes, ebenso sind in der Advents- und Fastenzeit Hochzeiten oder Feiern zur Kindtaufe verboten, die sich unrechtsmäßig eingebürgert haben.]

 

„Sollen die Leichwege und Fußschewens in guten und ohnsträflichen Zustande ohne Anstand gesetzet und darinnen nach Möglichkeit unterhalten werden, maßen denen die Eidtschwerer, sobald sie erfahren, dass die Wege ohnstande geraten, wes Endes sie dieselben besichtigen sollen, ein solches sie den Bawerrichten ahnmelden sollen, welche dann bei Vermeidung von 25 Pfd Wachsstaff die dazu Pflichtigen zur Besserung auf einen bestimmten Tag aufbotten, und ob sie zur Besserung erscheinen, aussehens haben, und die Ausbleibenden oder sich weigernden namhaft machen, und ob darob beim Archdiaconal-Protokoll binnen Münster, damit diese zur gebührenden Straffe gezogen werden, berichten sollen. Auch sollen die Fußschewens wenigstens anderthalb Fuß breit sein.“ [vom Pfarrer hinzugefügt.]

 

[Sinngemäß: Die Leichen- und Fußwege sollen in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt werden. Die Aufpasser sollen den Zustand der Wege regelmäßig überprüfen und der Verwaltung mitteilen, damit diese zur Ausbesserung an einem bestimmten Tag angehalten werden können oder zur Bestrafung von 25 Pfund Wachs verurteilt werden können...Auch sollen die Fußgängerbrücken 1 1/2 Fuß breit sein.]

 

Die Fußschewens (plattdeutsch Schemm) waren Fußgängerbrücken, die meistens einseitig ein Geländer hatten und für die Kirchwege oder Pättkes kurze Strecken ermöglichten.

 

Man muss sich klar machen, dass die Begräbnisstellen rund um die Kirche gelegen waren und wenn hier von Fassgängerbrücken gesprochen wird, kann man annehmen, dass der Friedhof mit einem Wassergraben umgeben war. Die Entwässerung des Kirchendaches geschah oberflächlich in den Graben. Jeder Regenguss hinterließ seine Spuren.

 

„Die Kinder sollen ohne unserer oder wenigstens des Pastors Erlaubnis zu keiner anderen, als der approbirten Kirchspielschule geschickt, und aus solcher ehender nicht, als sie bis auf Gutbefinden vorerwähnten Pastoris in Wissenschaft und Glaubenssachen genugsamb instruirt sein würden, genommen werden.“

 

[Die Kinder sollen ohne unsere Erlaubnis oder die des Pastors auf keine andere Schule geschickt werden als auf die kirchliche, dort auch nicht eher entlassen werden, bis dass sich der Pastor davon überzeugt hat, dass sie in Wissenschafts- und Glaubenssachen genügend informiert worden sind.]

 

„Küster und Schulmeister sollen wehrend des Gottesdienstes den Kirchhof sowohl, als die Wirts- und Fuselhäuser von Zeit zu Zeit visitiren; diejenigen, welche sich allda mit schwätzen und flahren aufhalten, ingleichen welche Fusel zapfen oder trinken, annotiren und uns zur Bestrafung bein künftigen Synodo einliefern“

 

[Der Küster und der Schulmeister sollen während des Gottesdienstes den Kirchplatz sowie die Wirtshäuser und Schänken kontrollieren und notieren, wer schwatzt und flucht oder Alkohol ausschenkt oder trinkt, damit diese bei der nächsten Synode bestraft werden.].

 

„Nicht weniger sollen auch Küster und Schulmeister, einer umb den anderen, schuldig sein, entweder vor, oder nach der christlichen Lehr die Namen der Parochianen abzulesen und die Abwesenden notiren.“

 

[Außerdem sind der Küster und der Schulmeister verpflichtet, entweder vor oder nach der Christenlehre die Namen der Mitglieder der Kirchengemeinde vorzulesen und die Abwesenden zu notieren.]

 

„Wo Kranke sich befinden, sollen solche, dem Ew. Pastor frühzeitig genug angemeldet werden, damit ohne die hl. Sakramente Niemand versterbe.

 

 Ebenfalls sollen die Kinder zum zweiten oder höchstens zum dritten Tage zur heil. Taufe gebracht werden.

 

Beim nächsten Synodo wird wegen Abwesenheit oder Krankheit keine Entschuldigung mehr angenommen, es sei denn, dass dieses vorhin dem Ew. Pastor angemeldet, und dieses ein anderer attestiren [bescheinigen ] könne.

 

Auch wird dem Herrn Pastor kommittirt, falls ein oder anderer Eydtschwerer indessen, bis dahin wieder Synodus gehalten wird, versterben möchte, den nächstfolgenden in officio zu surrogiren und in Aydt nehmen, auch darüber ad protocollum archdiaconale zu berichten.“

 

[Der Pastor hat zu protokollieren und dem Archediakon zu berichten, wenn er einen neuen Eydtschwerer bestimmt, so einer gestorben ist. (Eydtschwerer oder auch Aydtschwerer waren vom Archediakon oder Pastor bestimmte Personen, die durch einen Eid in ihr Amt eingeführt wurden und darauf zu achten hatten, dass Sitte und Ordnung eingehalten wurden. Verstöße hatten sie dem Pastor zu melden, der entweder selber einschritt oder es aufschrieb, um es beim nächsten „Send“, eine Art Kirchengericht unter Vorsitz des Archediakons, vorzutragen)]

 

„Die Eydtschwerer werden erinnert, dass solche auf diejenigen, welche obigen Befehlen zuwider handeln, obsonsten, welche an Sonn- und Feiertagen arbeiten, unkeusches schlechtes Leben führen, verbottene Sachen, als Geistkiekers, Teufelsbanners, Wickers gebrauchen, oder auch wohl in anderen Theilen wider die Gebote Gottes und der Kirche öffentlich handeln, getrewlich anbringen und dieserhalb dem geleisteten Eydt nachkommen“

 

[Sie hatten also zu registrieren, wer an Sonn- und Feiertagen arbeitete, ein schlechtes Leben führte, verbotene Sachen machte wie Zauberei oder öffentlich gegen die Gebote  Gottes oder der Kirche verstieß.(Sie waren so eine Art „Blockwarte“, wie sie in der Nazizeit hießen)]

.

„Dann wird denjenigen, welche wegen Begräbnisse u. s. w. die Jura annoch rückständig seint, dieselben binnen 6 Wochenso gewiß zu entrichten anbefohlen, als sonsten dazu exkutive angehalten werden sollen.“

 

[Wer wegen Begräbnisgebühren noch im Rückstand ist, wird aufgefordert, sie in einer Frist von 6 Wochen zu bezahlen. Ansonsten drohen Verwaltungsmaßnahmen.]

 

„dann wird ingleichen Allen und Jeden erinnert, sich bei denen Begräbnissen oder Leichenbegängnüssen fleißig einzustellen, und soll wenigstens von den Benachbarten aus jedwedem Hause einer dieselben zur Kirche begleiten“.

 

[Es wird aneine angemessene Beteiligung bei Beerdigungen erinnert. Wenigstens eine Person aus dem Nachbarhaus sollte mitgehen.]

 

„Nicht weniger, da es allhie allezeit Gewohnheit und Gebrauch gewesen, dass die ohnverheiratethete Weibspersonen, die sich vergangen, von den Jungfrauen unterschieden die Haare verdeckt getragen, so wird es dabei belassen und denselben mit bloßen oder aufgemachten Haaren fürs künftig zu gehen bei 25 Pfd. Wachssrtaff hiermit verboten“.

 

[Ledige Frauen mit unehelichen Kindern sollen zur Unterscheidung von Jungfrauen die Haare verdeckt tragen, ansonsten sie zu einer Geldstrafe von 25 Pfund Wachsstrafe herangezogen werden können.]

 

„Diese Verordnung soll auf beliebige Zeit vom Herrn Pastor oft vorgelesen werden.

 

Auf Befehl des Hochw. Herrn Archdiakonal-Kommissars Heinrich Adolf Böcker, Archdiakonal-Notar in Herbern.“

 

 

Dass Glocken keine Ewigkeit halten und immer wieder Anlass zur Sorge waren, ist in einem Brief zu Beginn seiner Amtszeit dokumentiert. Der Inhalt gibt das Bemühen des Pastors Nagel wieder, wie er die Neuanschaffung einer Glocke finanzieren will. Der Hintergrund ist, dass die große Glocke einen Riss hat und die zweite kleine auch verunglückt ist. Durch die weitere Benutzung wird der Riss in der Glocke immer größer.

Der Brief an den Amtsdrosten in Werne, Vorsteher der bischöflichen Verwaltung, ist in einer gewundenen und devoten Amtssprache geschrieben, die sicherlich nicht gesprochen wurde. Zuerst die Adresse:

„Ahn

 

Ihre Frigräfliche Gnade und Excellence Freiherrn von der Reck, Herr zu Steinfurth etc. etc. Ambtsdroste zu Werne, meinem gnädigen Herrn H.

 

 

unterthänig gehorsamste

Supplie und Bitt

 

Pastoris Nagel zu Herbern“

[An ihre Freigräfliche Gnaden und Exzellenz Freiherr von der Reck, Herr zu Steinfurt usw. usw. Amtsdroste zu Werne, meinem gnädigen Herrn untertänig und gehorsamst vom Pastor Nagel zu Herbern gerichtetes Gesuch und Bitte]

 

                                   „Hochwohlgeborener Freiherr mein gnädiger Herr und Ambsdroste!

 

Ihrer Hochfreiherrlichen Excellence muß hiermit untertänig fürstellen, was gestalten vor einigen jahren zu Herbern beim läuten die größeste Glock verunglückt und ohn jemanden schuld gebrochen; alß nun die Kirch zum umbgießen die mitteln nicht hatt, und der verdorbenen Glocken Spliß wir(d) länger je mehr sich vergrößert, das Gethön verdirbt mit der Zeit, die Glock gantz unbrauchbar machet, also dass, weile die kleinste glock ebenfals verunglücket, die Reparation unvermeidlich vorgenommen werden müsse.“

 

[Inhaltlich sagt der Pastor: Vor ein paar Jahren sei die große Glocke beim Läuten gerissen, durch weiteren Gebrauch werde der Riss größer und der Ton immer schlechter. Die Kirchengemeinde habe aber zum Umgießen kein Geld. Zu allem Übel  sei die zweite, kleine Glocke auch unbrauchbar geworden. ]

 

„Alß gelanget ahn Ihre Hochwohlgeborenen Freigräfliche Gnaden meinem gnädigen Herrn Ambsdrosten meine untertänige Bitte, Sie geruhen wolten denen Guitsherrn auch Bevollmächtichten deroselben am Donnerstag, da die.(?).. Kirchgeld Rechnung fryn wird, dieße meine Supplie und billigste meine Klage in pleno vorlegen zu lassen: damit etwa ein quartal schatzung zum behufs der umbgießung außgeschlagen werde. Es werden die schatzfreyhen  alßdan  nicht ermangelen jeglicher zur Ehr Gottes und bestellung  eines guten Glockengeläuts das ihrige – ich gebe auch dazu solches  - gutherzig beizubringen. In dießer Zuversicht empfehle Sie dem allwaltenden Gott in seinem schirm, ermangele  auch nicht vor Ihrer Freyherrlichen Gnaden und Ehegeliebte mit dero Kleinen mein gebett und Meßopfer

allergetreuigst umb Beharrlichen Lohn Wolfarth hinauszuschicken auf Zeit meines Lebens zu beharren“. 

 

[Des Weiteren bittet der Pastor, dass die Herren, die nächstens über die Verwendung der Abgaben  beschließen, eine Quartalsabgabe der Gemeinde für das Umgießen der Glocke freigeben sollen. Er wolle auch seinen Teil dazu betragen und für die Familie des Freiherrn beten. ]

 

„Ihre Freyherrliche Excellence meines Gnädigen Herrn und Ambstdrosten.          

 

Dienstgehorsamster
Bernard Dietr. Nagel pastor
zu Herbern mpp“

 

Dazu antwortet der Amtsdroste in Werne indem er auf der Rückseite des Briefes schreibt:

 

Zu infermelten Gesuch ein quartal schatzung wird  hiermit dergestalt bewilligt, dass selbiges durch den Receptor zwarn erhoben, gleichwohl alsdan erst an Supplicanten ausgehändigt werden solle, was selbiger mittels Collectierung den irruren abgang, als weit armlich gemeltes quartalschatzung berü...tem  und nicht zunichten wird, beysammen gebracht haben werde.

In Fidem

H Rothman Amtdroste“

 

[Sinngemäß: Dem Antrag wird stattgegeben, aber der Kassierer überwacht, dass das Geld zweckgebunden verwendet wird. ]

 

Seine Bemühungen müssen eine besondere Resonanz erzeugt haben, denn 1723 schenkte das Haus Itlingen der Kirche St. Benedikt eine neue Glocke.

 

Der schlichte Kirchenbau war schon vor seiner Zeit fertig, selbst einen neuen Hochaltar gab es bereits, es fehlte nur eine neue Orgel. Man musste noch mit der alten sehr schlechten Orgel auskommen, die bis 1720 wiederholt repariert wurde, als die neue Orgel in Auftrag gegeben wurde. Zu diesem Thema und über die Orgelbauerfamilien in Herbern hat Josef Drees14 sehr detailliert geschrieben und dabei auch die Orgeln in St. Benedikt erörtert. Im Archiv Itlingen gibt es dazu ein aufschlussreiches Dokument aus dem Jahre 1739, das die Anstrengungen des Pfarrers Nagel wiedergibt, wie er sich intensiv um die Finanzierung der neuen Orgel gekümmert hat. Dieses weitläufige Dokument soll hier ganz wiedergegeben werden, denn es nennt Namen aus dem Dorf, die heute noch geläufig sind und die für viele von Interesse sein können.

 

„Defignatio und getreuer ahnzeiger was der H. Pastor Bernhardt Dietr. Nagel im jahr 1737 zur perfectirung der Herbrische Orgel hin und wieder mühsam collectirt.

Es ist zu wissen aber, dass ietziger gnädiger Herr Fridrich Ludwig von Nagel Herr zu Itlingen sambt seinem H. Bruder Thumbherrn zu Münster 110 Taler zur Orgelmachung, nemblich for infesto Cäciliä als die neu glock benedizirt worden, vor etlichen jahren , umbs iahre 1723 liberaliter geschonken, so Meister Sylvester Heilmann fällig vom Haus Itlingen empfangen. Weil aber hiermit die Orgel nicht fertig geworden und gedachter Sylvester verstorben; Als ist in bey worten dass abgemacht, H. von Nagel zu Itlingen und Herr Friderich Rieve, zwischen Pastor Nagel und Meister Goswin Heilman im jahre 1736. d. 1. oct ein formblicher accord zu gänzlicher perfectionirung (Fertigstellung) der Orgel wegen vom Pastor Nagel außzuzahlender einhundertfünfunddreißig Taler schriftlich verfasset worden.“

 

[Sinngemäß wird gesagt, dass im Jahre 1723 Ludwig von Nagel und sein Bruder, ein Domherr in Münster, 110 Taler bei der Weihe einer neuen Glocke für den Bau der Orgel durch den Meister Sylvester zugesagt und auch später bezahlt haben. Über die Ausführung der Arbeiten ist Meister Sylvester verstorben. Um die Arbeiten fortzuführen, haben 1736 der neue Meister Goswin Heilmann, Pastor Nagel, Baron von Nagel und Friderich Rieve einen Vertrag über 135 Taler geschlossen, für die die Orgel fertiggestellt werden soll. Pastor Nagel soll das Geld besorgen]

 

„Worauf der Pastor sich nach dem Haus Venne begeben, anzeigend daselbst der gnädigen Herrschaft was gestalten der Hochwürdig hochwohlg. Herr Walternus von Ascheberg Scholaster zu S. Mauritz bey Münster im jahr 1677 ein Giffte von 50 Rth ahn der Herbernische, ihre Künftig aufrichtenden Orgel vermachet sub manu (unter Aufsicht) Notary Dyckman. Hat also der gnädiger Herr Ernst Frid. Von Aschberg im jahr 1738 diese 50 Rth  ad manus (zu Händen) Pastoris Nagel überzahlet.“

 

[Hier erinnert sich Pastor Nagel an eine dokumentierte Schenkung des Hauses Venne aus dem Jahre 1677 über 50 Taler, die er auch erhält.]


„Nun folget, was der Pastor Nagel vor und nach collectirt                   rthlr     schill.  pfg.


(obiger Betrag)                                                                                           50
Seine Hochwürdiger Gnaden Thumbherr von Nagel

als loci archdiaconus (als örtlicher Erzdiakon) gaben                            5

ein gewisser Herr von Galen                                                                                18       8

Haus Nordkirchen geschenkt                                                                    6        10        6

Comes de Ligneville                                                                                             24      
Herr Freiberg, Kellner zu S. Mauritz                                                         1
Herr von Herding, daselbst                                                                        1

H  Oldtman Canonicus daselbst                                                              1

H  Canonicus De Wez                                                                                          18       8
h von Lutzow                                                                                                  1
H von Beverforde zu Werries                                                                     2
H Stephan von Wrichß                                                                                         18        8
H ..... zu Osnabrück und Herr von St..                                                       1

Latus 2 (Seite 2)

Herr Borchort                                                                                                          7

Abba... S. Ägidi                                                                                           2
                        noch                                                                                       1        9          4
H Doct. Booke                                                                                                        9         4
H Proc.
Rive                                                                                                           9          4
Junker Lobeck                                                                                                       9        
Fr. V. Wintgens                                                                                            9        4
Hoffrath Kording                                                                                                   14
Vicaric Borgman zur borg                                                                          1
Seiner Hochwurdigen  gnädig H. von Droste Land Commendeur

zu Colln und Morsbruch, item Thumbsherr Drost von Senden
dederunt
[gaben]                                                                              7        14

Receptor Schlüter zu Nodkirchen                                                                                  14
Thumbherr von Wachtendonk                                                                  1          9        4

Frau Wittib von Nagel zu Itlingen                                                             2        21

ein guter freund                                                                                                        4        8

H. Wldeck                                                                                                                 9        4

H Schulte past zu Warendorf                                                                               18       8
H Claes ad S....                                                                                                        9        4

Joh. Matthias Bole                                                                                                18       8
ein Vic. zu S. Mauritz                                                                                              4         8
Closter Ringe                                                                                                           4         8
einer Ver...                                                                                                    1
Vic. Roskotte                                                                                                                        2          4
H Luman                                                                                                                   4          8

H Vic. Voigt                                                                                                               9          4
H Probst Aegidy                                                                                                       9          4
H Pastor Bockum                                                                                                   9          4
Clüsener zu Hövel                                                                                                 18         8
zu Stockum bekommen                                                                             1        19
Von Engelb Schulte daselbst                                                                              18         8

H Fridrich Rive                                                                                                       18         8

Henr. Rostrin                                                                                                                       1
Joh. Heyeman                                                                                                         1
Herman Wegman                                                                                                  14

gewisser bawesman                                                                                                2

Hermanny Gehle cum fratre                                                                                  1        14
Josina Kemler                                                                                                          1
Kemler Custos Capenb..                                                                                      13
ein guter freund redux Monris                                                                             21
Bathe                                                                                                                       18         8
Dirk Brochtrop                                                                                                          7
alte Kuhirtsche und sohn                                                                                        1          2
Jos: Kotman                                                                                                             2          4
Ferd. Jürgens                                                                                                           1
Dirk Schepers                                                                                                          1          6
Bergman                                                                                                                  1
Leusman                                                                                                                   6

M. Frantz Kemler                                                                                                     7

Joh. Henr. Niehsman                                                                                              1          2

M. Jost Suntrop                                                                                                       3          6
Gerh. Hegeman                                                                                                      2          4
Anton Budde                                                                                                                       2          4

 

Latus 3 (Seite 3)

 

Ferd. Suntrop                                                                                                         1           6
Ferdin. Lohkamp                                                                                                    2           4
Dith.
Lube                                                                                                                2           4

Anton Schick                                                                                                                      1
Joh. Will. Wineke                                                                                                    1
Jobst Peters                                                                                                             1
Evert Altforst                                                                                                            2           4
Dirk  braukman                                                                                                       2           4
Gerhard Badde                                                                                                                    6

Joh. B. Lohoff                                                                                                           1

M. Jobst Cruse                                                                                                         3          6

Theod. Jurgens                                                                                                        7

Dieth. Telman                                                                                                          1        2

Wittib Sennekamp                                                                                                   9

B. Dirck Kaldekirch an Krüt           geschoncke                                                 11       8

Pfächter auf Beckendorf                                                                                       14

Wittib Krieter                                                                                                             2          4

B. Loman                                                                                                                  1

Gerh. Wisßman                                                                                                        7

Gerd Henr. Surman                                                                                                 1

Jos. H. Dyckhoff                                                                                                       3          6

Frau Ritter                                                                                                                 2          4
H. Zumbusch                                                                                                           7

Wittib Budde                                                                                                             2          4
Gerh.
Schluter                                                                                                        14
H. Recept. Rive                                                                                                       1          7

H. Rentmr. zu Ichterlo                                                                                             1

H. Pastor zu Rinckerode                                                                                      14
Hülbomersche ahn Krüt                                                                                         6

Wördeman                                                                                                              14
Römer zu Nordik an Krüt                                                                                      21

 

latus primum [erste Seite, d. Verf:] wan die 50 Rth hizukommen, so vom Haus Venne
kommen sind, machet                                                       71 rtlr              6 schill          6 pfg

latus 2dum [zweite Seite, ]                         34                   4                    6
latus 3tiem [dritte Seite, ]                                       8                    9                  11
Was nebendem die bauersbüsche ahn

Korn ver... , beläuft sich kümmerlich zu                          14                                                                                         

Were also der gantze empfang                                    128                                        11          

                                                                                           (1rtlr     =      20 sch/1sch   =   12pf)

           
 

Wollten also ahn die Sumb 135 Rtlr, so der Orgelmacher Heilman haben muß, noch ermangelen 7 Rtlr, und weiß ich auch von die bauern oder dorfleuten nicht mehr zu bekommen.

ita veru  attestor [so bezeuge ich wahrheitsgemäß, ] Bern. Theod. Nagel pastor mpp
Signatum
[unterschrieben, ] d 6. apr. 1739

Diese 2 blätter (bitte ich) geruhen Ihrer Gnaden in ihrem archiv hinzulegen“. [Itlingen]

 

Hier stellt Pastor Nagel fest, dass noch 7 Taler fehlten, die er bei den Bauern und Dörflern nicht mehr bekommen könne. Wohl mit dem Hintergedanken, dass das Haus Itlingen die Kosten übernehme, bittet er den Baron von Nagel, dieses Dokument im Archiv von Itlingen zu hinterlegen, (wo es sich zurzeit befindet)

 

Jetzt folgt eine Aufstellung von persönlichen Ausgaben des Pastors Nagel, die er im Zusammenhang mit dem Orgelbau gehabt hat.

 

„Vertatur [nächste Seite]

Anno 1737 habe ich pastor Nagel in usum organi Herbernsis [wegen der Orgel in Herbern, d. Verf:] weiter ausgegeben, als folgt.
            Ahn bretteren achterns gantz trocken                                           1 rtlr  14 sh  pfg

[ganz trockene Bretter, ]
            Von Schweer zu Nordik bretter gekauft fur                                   1        14
            Fahrlohn solcher bretter                                                                             6

            Als die Stellstaken ausgerichtet, dem Orgelmacher, und
            noch 4 männer, 2 mahlzeiten                                                                  10

            denselben den tagelohn                                                                             7
           
[beim Aufstellen des Orgelgerüstes erhielten der Orgelbauer
            und noch 4 Männer je 2 Mahlzeiten und den Tagelohn.]

Dem Meistern Wissing schreinern in Majo ... ad 15. May 8 tage
item d 17. d 18. d 27.
28. 29. 31. daß lohn, in der tag zu
3 schilling gerechnet facit
[macht, ] so er in pastorat verdienet
an orgelarbeit                                                                                               1        14

noch 2 tage                                                                                                               7

3 mahlzeiten tags 3 schilling, das ist in der mahlzeit 1 schlg

facit in 16 tagen                                                                                                     16

Neben diesen tagen hat Meister Wissing auf dem Orgelbühne
in der Kirchen gearbeitet 24 tage, der tag am lohn 1 blam.
Die Kost ist der tag auf 1 blam, facit zusammen                                    6
Kötger Schenking hat 2 tage bey seiner Kost neuer
sprenkelwand bey der blasbälgen gemacht, sowi                                              9          4

dem Kaldenkirchen sowi vor; tonne bier so der Vorsteher
vertrunken                                                                                                     1
2 tonne Krutz am Luftbaum aufgelegt                                                      3        14
1 tonne an Römers                                                                                                 1        21

noch an Römers 17 kannen                                                                                  8          6
noch am Luftbaum 26 kannen                                                                13

Als ich zu Münstewr terminiarig gangen habe verzehrt                          1       18
das collect büchlein kostet
                                                                                                 3          6

ein neu trap[Treppe] zur orgel kostet                                                         2                      

                                                                                    facit (macht) 24 rtlr 25 sh  4 pfg
nach 27. May 39 an schmid Bußman ein rechnung zu orgel
zahlet                                                                                                                       20 sh  4 pfg

noch an wein in labore acto [bei der Arbeit] vertrunken1 rtlr
               facit            25 rtlr   17 sh  8 pfg

            Pro vero sugscripsi [für die Wahrheit habe ich unterschrieben, ]

 

Bern. Theod. Nagel pastor mpp
            Sign. 6. apr. 1739

 

 Diß alles hat seine Vollige richtigkeit

                                                                                  1744 9. sept. Pastor B. Nagel   pastor“

 

Die Arbeit in der Kirche muss wohl durstig gemacht haben, denn es wurde Etliches an alkoholischen Getränken konsumiert...Wein, Bier, Krüt (Krüt ist ein bierähnliches Getränk auf Kräuterbasis, das in den Familien gebraut wurde).

 

Die Orgel wurde fertiggestellt und versah bis 1846 in Herbern ihren Dienst; dann wurde sie an die Kirchengemeinde Bockum abgegeben (oder verkauft?)

 

Ein weiteres Ereignis findet sich in mehreren Quellen wieder, wobei Julius Schwieters diese Zusammenfassung macht: „In diesem Jahre (1728) in der Nacht des 8. November wurde von zwei Dieben die Monstranz und das Ciborium in der Kirche zu Herbern gestohlen; die Diebe stiegen durch ein Fenster, erbrachen den Tabernakel und schütteten die h. Hostien aus dem Ciborium auf das Altartuch; sie wurden am 11. Nov. im Gericht Essen  ´bei gehaltener Diebesjagd`  festgenommen, und bei denselben die gestohlenen Sachen in einem Sack vorgefunden. Nach ´scharf peinlichen Fragen` gestanden sie am 20. Nov., die Sachen in Herbern gestohlen zu haben.  Der Pastor Nagel wurde hiervon  von dem Richter Bischofpink in Kenntnis gesetzt und holte am 28. Nov. mit drei Begleitern die hl. Gefäße im Essen wieder ab. Die Reparatur der etwas beschädigten Monstranz kostete 4 Thlr. 7 Schill.“15

 

Während seiner Amtszeit von 1718 bis 1750 stand ihm immer ein Kaplan zur Seite, nämlich die Kapläne Bernard Ontrup, Petrus Gröne, Albertus Terbeck, Gailhelmus Vornfeld und Theodor Schwerbrock, der sein Nachfolger werden sollte.

 

Einige der vielen Leistungen in seiner Amtszeit sind es wert, besonders herausgestellt zu werden. Beispielhaft sei das Folgende erwähnt. So gibt es im Pfarrarchiv einen Brief von 1734 an den Archdiakon, in dem er dringend um die Zulassung einer Hebamme bittet, da die letzte zugelassene verstorben sei:

 

„Hinc rogo...ut quia hoc in pago defuncta...obstetrice, obstetrix nulla superset, Conjugatam Catharinam Jürgens, Chirurgi Verdcheval uxorem, bonae parentelae et vitae mulierem reascemere ad id Officii...admittere“

 

[So bitte ich...weil es hier in der Gegend durch Verscheiden der Hebamme keine mehr gibt, zu genehmigen, dass die verheiratete Catharine Jürgens, die Frau des Chirurgen Verdchewal, einer Frau von guter Abstammung und mit gutem Lebenslauf, dieses Amt übernimmt ]

Nebenbei erfahren wir auch, dass es zu der Zeit im Dorf schon einen „Chirurgen“ (Wundarzt) gegeben haben muss.

 

Das Verhältnis des Pastors zu den adeligen Häusern muss sehr gut gewesen sein, denn ein von ihm herausgegebenes Büchlein mit Fastenspredigten widmete er der Familie Merveldt. Anderseits bedachte eine Dame aus dem Hause Itlingen in ihrem Testament die Kirchengemeinde St. Benedikt mit einer Stiftung von 100 Talern, deren Erträge (Zinsen) dem Organisten zustanden.

In dem Testament der Anna...Theresia von Nagel aus dem Jahre 1748 wird in der Anlage 3 unter Punkt 10 verfügt:

 

„Als die organistenstelle zu Herberen von schlechten einkünften, legire an denselben zu beßeren Subsistence des zeitlichen organisten daselbst in capitali Hundert Thaler umb damit die renten jährlichs zu genießen.“7

 

[Der  Organist in Herbern hat ein schlechtes Einkommen, deswegen vermache ich zur besseren Existenz des jeweiligen Organisten ein Kapital von 100 Talern, deren Zinsen er jährlich erhält.]

 

Zusammenfassend kann man das Wirken des Pfarrers als einen Gewinn für die Gemeinde betrachten. Geprägt durch eine gute Ausbildung bei den Jesuiten in Münster führte er durch ein straffes Regiment die Gemeinde in geordnete Verhältnisse. Sein Nachfolger musste kurze Zeit nach seinem Tode im Jahre 1750 die Leiden des 7-jährigen Krieges mit seiner Gemeinde durchleben.

 

 

Theodor Hermann Schwerbrock

 

Pastor Schwerbrock wurde 1712 in Telgte geboren, studierte in Münster 4 Jahre Theologie und wurde 1738 vom Bischof Osterhoff zum Priester geweiht. 1750 wurde er vom Generalvikar Fürstenberg zum Pfarrer in St. Benedikt bestellt. Vorher diente er zwei Jahre in Telgte, dann ein Jahr in Walstedde und ein Jahr in Ascheberg, wurde dann acht Jahre Kaplan in Herbern, bevor er dann nach dem Tod des Pfarrer Nagel dessen Pfarrstelle erhielt. In seiner Amtszeit waren die Kapläne Ferdinand Theodor Nagel und J. Gerhard Möllmann tätig.

 

Pastor Schwerbrock hatte, nachdem er in seiner Herberner Kaplanszeit die „wohlfeile Zeit“ mit seinem Vorgänger erleben durfte, eine sehr schwere Zeit vor sich. Der „Siebenjährige Krieg“ von 1756 - 1763, der nicht nur im zersplitterten Deutschland zwischen Preußen und Österreich tobte, sondern nach und nach große Teile Europas und Nordamerikas überzog, belud die Bevölkerung mit Lasten, die erst am Ende des Jahrhunderts abgetragen waren. Der Pfarrer war von diesen Lasten in keiner Weise ausgenommen, sondern er war teilweise persönlich sehr stark betroffen. Da das Bistum Münster auf der Seite Österreichs stand, die Mark mit Hamm sowie Minden, Ravensberg und Kleve preußisch waren, lag Herbern im Grenzgebiet der verfeindeten Parteien und war entsprechend betroffen. Die überregionalen Ereignisse sind in der einschlägigen Literatur beschrieben, die örtlichen Ereignisse, Herbern und Umgebung betreffend, hat Julius Schwieters  eingehend erörtert. Nicht nur, dass sich die Gemeinde arg und langfristig verschulden musste, auch wurden Vorräte und Saatgut und Vieh wiederholt beschlagnahmt oder geplündert, wie in Nordick geschehen oder die Bevölkerung wurde zu Schanzarbeiten gezwungen. Der Pfarrer wurde sogar in Hamm in Geiselhaft genommen, damit Geld von der Gemeinde erpresst werden konnte. Auch die Bevölkerung musste sich durch Zwangsabgaben hoch verschulden.

 

Mitten in den Kriegswirren wurde der Pfarrer in ein Liebesverhältnis verwickelt, in das die Häuser von der Reck und Itlingen einbezogen werden. Die Dame war eine Angestellte des Hauses von der Reck. Zunächst versuchte der Pfarrer das Verhältnis durch das Generalvikariat unter Mithilfe des Barons von Nagel legalisieren zu lassen, doch solche Zeiten, in denen das noch möglich war, lagen gut hundert Jahre zurück. Nach einer sehr harten Gerichtsverhandlung im Generalvikariat wurde das Verhältnis aufgearbeitet. Unter Auflagen blieb er Pastor in Herbern, jedoch liegt darin der Schlüssel zu seinem späteren Verhängnis.

 

Mit Kriegsende 1763 war wiederum ein Tiefpunkt im Gemeindeleben erreicht. Bauernland stellte kaum noch einen Wert dar, weil die Preise für Getreide verfielen.

Nur langsam erholten sich Land und Leute. Dann wurden wieder neue Häuser errichtet, die lange, zum Teil bis heute, das Aussehen Herberns geprägt haben. 13 Jahre später, nachdem sich die Zustände im Jahre 1770 normalisiert hatten, stand eine Visitation an. Das Protokoll der Visitation gibt den guten Zustand der Gemeinde und des Pastorates mit seinen Einrichtungen wieder. Insgesamt wurde die Pfarre während seiner Amtszeit dreimal visitiert, wobei jedes Mal ein guter Zustand bescheinigt wurde. Zusammenfassend folgen einige aufschlussreiche Angaben:

 

Es lebten ungefähr 1900 Personen in der Kirchengemeinde, alle katholisch (mit Ausnahme die des jüdischen Glaubens), davon Kommunikanten 1409. An Sonn- und Feiertagen werde ein feierlicher Gottesdienst mit Kommunion zelebriert. Ab und an werde sonntags der Katechismus gelehrt. Erwachsene und Junge seien in Glaubenssachen gut unterrichtet und kundig. Im Umfeld und im Kontrollbereich der Kirche arbeiteten verschiedene Personen:

 

Zuerst werden drei Hebammen genannt [30 Jahre zuvor war es eine], was auf eine hohe Geburtenrate schließen lässt. Alle drei seien geprüft, hätten einen guten Leumund und dürften die Nottaufe geben.

Der Lehrer Johann Hen. Finmann, geboren in Greven, habe in Münster studiert und unterrichtete etwa im Jahresdurchschnitt 70 Schüler. Die großen Schüler würden zusammen mit den Mädchen unterrichtet, [was nicht der Norm entsprach]. Das Schulgebäude werde von der Gemeinde unterhalten. Die Einkünfte des Lehrers würden aus Zinseinkünften einer Stiftung, einer Zusatzabgabe und aus dem Schulgeld bestritten.

 

Als Küster sei der Herberaner Dith. Humpers tätig. Ausgewählt und angestellt worden sei er vom Haus Itlingen, das auch einen Teil des Unterhalts trage. Seitdem er im Amt sei, hätten sich die Zustände in der Kirche wesentlich verbessert.

 

Auch der Organist sei vom Haus Itlingen 10 Jahre vorher angestellt worden. Seine Einkünfte werden als sehr bescheiden beschrieben.

 

Als Kaplan sei Bernd Theodor Nagel seit 1751 tätig [und er wird bis 1785 in Herbern bleiben]. Er war auch Hauskaplan auf Haus Ichterloh und Haus Venne. Daher waren seine Aufgaben in St. Benedikt eingeschränkt. Dort musste er in der Woche drei Messen lesen, zweimal Religionsunterricht halten und auf Nachfrage Krankenbesuche mit Sakramentenspendung durchführen. Er war Mitglied im Chor und assistierte bei kirchlichen Handlungen. Seine Einkünfte stammten aus verschiedenen Quellen und schienen gut zu sein.

 

Das Kirchengebäude sei ausreichend groß für die Bevölkerung, sauber, vollständig und in keiner Weise unwürdig. Der Weg aber, den der Pfarrer zur Kirche gehen müsse, sei in einem sehr schlechten Zustand. [Wenn man bedenkt, wie kurz der Weg vom alten Pastorat zur Kirche war, so müssen die Verhältnisse extrem schlecht gewesen sein, um besonders erwähnt zu werden]. Der Kirchenraum habe keinen Estrich, es gebe aber stabile Sitzbänke von mittlerer Größe, die Eingänge seien gut und sicher, ebenso wie die Wände und die Säulen; die Kirchenfenster dagegen seien in einem schlechten Zustand. Dach und Turm mit Uhrwerk wiederum seien gut gewartet. Das Geläut bestehe aus drei Glocken.

 

Beim Friedhof handelte es sich um ein geweihtes Areal mit einem Beinhaus, aber mit keiner weiteren Bebauung, auch nicht im Bereich der Kirchenmauer. Verstorbene und getaufte Kinder wurden mit normalem Ritus beerdigt, für ungetaufte Kinder aber gab es einen besonderen Ort auf dem Friedhof (der Friedhof damals ist in etwa das Areal des heutigen Kirchplatzes).

 

Früher wurde die große Prozession beim Besuch des Archdiakon abgehalten, zu jener Zeit aber fand sie am Sonntag nach Peter und Paul statt, die zweite Prozession in der Oktave von Fronleichnam.

 

Des Weiteren ist im Protokoll vermerkt, dass es keine  Bruderschaften oder Sodalitäten gegeben habe. Infolge der Kriegseinwirkungen lösten sich die bestehenden Organisationen vermutlich auf, wurden allerdings später mit neuem Leben erfüllt.

 

Als Anhang zu dem Visitationsprotokoll gibt es eine Aufstellung über die Einkünfte des Pfarrers, die hier als Ganzes wiedergegeben werden soll:

 

 „Bona, et Proventus Pastoris Herberensis
sunt, ut sequitur [Jetzt folgt eine Auflistung mit den Einkünften des Pfarrers von Herbern,]

 

 

                                                                                                                       rl         sh        gr

1.  Ein Kamp hinter Pastoratsgarten 18. Schäffels Einsats
     à Sch. 18 sh, 18 gr
[18 Scheffel Saatkorn, ]               12
2.  Ein Kamp ad 18 Sch Einsats die Brese genannt                            12
3.  Acht stück landes aufm Markenberge
     9 Sch Einsats à Sch 14. sh facit
[macht]                                  4        14

4.  21 Stück aufm Siepen ad 24 Sch Einsats, 14 sh facit                    10       14
5.  sieben kleine Stücke aufm Berge in einer Fuhr gelegen
     ad 7 Sch. Einsats à Sch 18 sh 8 gr facit                                              4        18         8
     noch daselbst 3 Stück à 5 Sch Einsats à 14 sh facit                         2        14
6.  Vier Stück auf der Beck 6 sch Einsats 9 sh 4 gr facit                        2
7.  ein Kamp 5 Sch. schlecht Land thut jährlich an P(f)acht                 1        14

8.  auf der Geist 2 stück 3 sch à 18 sh 4 gr                                              2
9.  aufm Xoland drey Fuhr schlecht land Thut an Pfacht jährlichs      1          7

10.auf der Siegebrede 2 Stück à 3 Schäffel à 16 sh 4 gr                      1        21
11. zwei kleine Stücke auf der hohen Brede von 2 Sch. 1 gt
      thuet an Pfacht jährlichs                                                                       1          9
12. auf der uhle welle, und osten brede 8 Stück 15 Sch. Einsats
      liegen wüst, weilen sie zu bauen unwirklich
13. 8 Stück aufm Greven Xöhr 12 Sch Einsats thuen jährlichs

      an  Pfacht                                                                                                4       
14. eine kleine wiese ad ein Fuder Heu gewächs angeschlagen zu   3

15. eine Kühe weide in des Hrn. von Fürstenberg kleinen Kamp
      zu betreiben ad                                                                                       2        14

16. drey Stück Holzgewachs in Hülsberge, so seperatim zwischen
      anderem Geholz liegen, wovon gar keinen Nutzen habe
17. Ein kleiner busch, in welchem etliche Telgen (junge Bäume)
      stehen, mit allerlei Untergehölz, wo alle Jahre ein oder zwei

      Fuder Buschen [Bündel aus Zopfholz und Reisig,

      übliches Brennmaterial] hauen kann,
      übriges Holz muß alle ....
[(?)]
18. Garten Heuer rendiret jährlichs                                                         25

      [Jahresmiete für Gärten]
19. Grund-geld aus dem dorf von etlichen Häusern                              6

20. Missatium 41/2 Malt gersten, ex Pagta 2 Malt gersten
      à Malt 4 rl facit                                                                                      26                             

21. an Wachs 45 Pf à 12 Pf 1rl facit                                                          3        21


                                                                                                                     

22. pension de capitalibus [Erträge aus Kapital]             8        14
23.
Jura Stolae majoris, et minoris Circiter [ungefär]                40
24. ex parva domo  auf pastoratem grund,

      und Hofbelegen an Heuer                                                                    4                                  

                                                                                              Summa       178       21

 

 

 

           Jura Stolae mojoris, et minoris sunt, ut sequitur

          [größere und kleinere Gebühren für Leistungen

           der Geistlichen sind, wie folgt]

Pro introductione Puerpere [für Einführung der Wöchnerin ]      1          6

pro copulatione [für eine Hochzeit]                                                             1

pro sepultura adulti [für die Beerdigung eines Erwachsenen ]               1

ex his participat Sacell [davon erhält der Kaplan 7 sh]
quand ipsemet sepelitur funus  [
wenn er die Leiche beerdigt]                        14
Jura baptismi pro pastore
[Gebühren der Taufe durch den Pastor:]      2

pro Sacellano [für den Kaplan]                                                                               1

pro sepult. infantum Pastor [für ein Kindsbeerdigung]               5          3

Sacellanus                                                                                                                1          9
pro precibus annis Pastor
[für die Jahresgebete]                                  14

Sacellanus                                                                                                             14
Jura pro administrat. viatici cum extrema unctione in pago                             1          6
[Versehgang mit Krankensalbung in der Gemeinde]
extra pagum
[außerhalb]                                                                                         3

pro dimissorialibus Pastor solus                                                               1



 

                                            Concordat cum originali [stimmt mit dem Original überein,

                                            quod in fidem refero     was ich bezeuge]


                                                                                    Johannes Wilhelmus Gabler      

 

 

Pfarrer Schwerbrock muss ein zurückhaltender und bescheidener, aber auch ein unduldsamer Mensch von gespaltener Persönlichkeit gewesen sein, dem in Herbern zum Ende seiner Amtszeit sehr viel Unrecht und Verletzendes widerfuhr. Er selbst hinterließ während seiner Zeit in Herbern nicht viel Schriftliches, jedoch gibt es über seine Person ein umfangreiches Aktenbündel im Bistumsarchiv. Während seiner Amtszeit hatte er sich einige Feinde in Herbern und bei den Vorgesetzten geschaffen, die nur auf eine Gelegenheit warteten, dem Pastor zu schaden. Kurz vor seinem Ruhestand war es soweit.

 

Im Jahre 1779 hatte die Nichte des Pfarrers, die im Pastorat beschäftigt war, ein uneheliches Kind geboren, als dessen Vater der Knecht „Janns“ genannt wird. Beide müssten sich vor dem Sendgericht wegen Unzucht verantworten. Dem Pfarrer wurde auferlegt, seine Nichte und den Knecht „Janns“ sofort zu entlassen. Da aber der Pastor mit der Feldbestellung noch nicht fertig war, wollte er ihn noch 14 Tage behalten. Derweil wurde im Dorf von seinen Gegnern das Gerücht verbreitet, der Pastor habe ein „Verständnis“ (Umschreibung von Homosexualität) mit seinem Knecht, der ihn erpresse. Ein anderes Gerücht besagte, dass der Pfarrer der Vater des Kindes sei und er Blutschande begangen habe. Die Gerüchte drangen bis zum Generalvikariat durch, welches augenblicklich aktiv wurde. Der Pastor wurde nach Münster befohlen und sofort in ein Kloster der Barmherzigen Brüder eingewiesen – er sah Herbern nicht wieder.

 

Seine Ordnung im Pfarramt muss in seinen letzten Amtsjahren nicht die beste gewesen sein, denn es gab zu allem Überfluss noch mit seinem Nachfolger Pastor Jochmaring etwas später eine heftige Auseinandersetzung, die in einer Verhandlung im Barmherzigen Brüder Kloster beigelegt wurde. Dazu gibt es ein ausführliches Protokoll: Das Testament seines Vorgängers Pastor Nagel war unbearbeitet liegengeblieben, Schenkungen waren nicht ordnungsgemäß verbucht worden und vieles mehr war nicht bearbeitet worden.

Als seine Pastorenzeit in Herbern mit dem Generalvikariat abgearbeitet war, schrieb er einen Rechtfertigungsbrief, datiert vom 18. Juni 1780, an den „Administrator des geistlichen Vikariatgerichtes“, in dem er mit seiner Zeit in Herbern und mit seinen Vorgesetzten abrechnet. Alle diese Vorwürfe und Ereignisse sind dort genauestens aufgeführt. Er war zutiefst verletzt und erbost über die Behandlung, der er von der Gemeinde, vom Haus Itlingen, seinem Kaplan und Nachfolger Jochmaring und seinen Vorgesetzten ausgesetzt war. Heute würde man sagen, der Pfarrer wurde „weggemobbt.“ Der Brief ist zum besseren Verständnis hier an die uns geläufige Sprache angepasst, sinngemäß und zum Teil stark gekürzt wiedergegeben:16

 

“Mein elender Zustand, wie auch das Verfahren mit mir und mit meinen Gütern, wird zweifelsohne Eu. Hochwürden Herrn Geheimen Rath im Generellen, nicht aber im Speziellen  bekannt sein. Denn sobald ich hier in Münster ankam und sofort in die Exerzitien verwiesen wurde, wurde publiziert, dass meine Ländereien,  die ich selbst verwaltete, dem Meistbietenden sollten verpachtet werden; ebenso sollten meine 3 Pferde, die 100 Rthl wert waren, das Rindvieh, ferner Karren, Pflug und Eggen, Pferdegeschirre mit Zugketten, zusammen alles, was man zum Ackerbau benötigt und was sich in bestem Zustand befindet, verkauft werden. Die Pacht von 100 Rthl hätte leicht aus den Erlösen aus dem Sommer- und Wintergetreide bezahlt werden können, wenn man mir einen Monat Zeit gegeben hätte. Obwohl ich dagegen protestierte, wurde mir kein Gehör geschenkt

Während ich in Münster war, ist der Herr Commissarius Forckenbeck mit dem Aktuario H. Habeck nach Herbern gereist und hat sich dort einige Tage aufgehalten. Meinetwegen haben sie verschiedene Personen, gute wie böse (davon gab es nur wenige), und alle meine Mägde, selbst die, die vor 20 Jahren bei mir waren, vernommen. Die Aussagen von denen, die mir nicht gut gesonnen waren, so 4 oder 5 Personen, hat man protokolliert, die Aussagen der frommen und ehrlichen Leute aber, der überwiegenden Mehrheit, hat man nicht aufgenommen. Auch hat man die Fuselwirte (Gastwirte) vernommen, als wäre ich ein Säufer, nur weil ich falsch beschuldigt wurde. Wie die Dorfgerüchte melden, hat man Zeugen ausgesucht, die vor keinem Gericht bestehen können, nämlich Huren und Diebe. Man hat sie besonders ausgesucht und ausgerichtet mit der Aussage, dass sie keine Furcht zu haben brauchten, denn der Pastor käme sowieso nicht wieder. Einer, den ich einmal wegen Verbreitung von Gerüchten und Erregung öffentlichen Ärgernisses verhören musste und anklagen sollte, hat sich verleiten lassen, Bosheiten gegen mich unter Meineid zu Protokoll zu geben. Aus allen diesen Aussagen ist ein Protokoll angefertigt worden, womit ich konfrontiert wurde. Von den wesentlichen Punkten ist kein einziger wahr, bis auf einen Punkt, den ich eingestanden habe. Es geht um mein Verhältnis zu Frau...., ein Unglück, in das ich vor 23 Jahren im Jahr 1757 geraten bin.

Bei der Gerichtsverhandlung habe ich mich darüber beschwert und gesagt, dass  im Dorf keiner gegen mich ausgesagt hätte und es nicht zum Skandal gekommen wäre, wenn ich dort gewesen wäre.... Der Commissarius bedeutete, dass genau aus diesem Grund ich ferngehalten worden wäre....

Der Herr Commissarius muss mich grausam bei Ihro Hochwürden Herrn Geheimen Rath verklagt haben, weil ich gleich nach meiner Ankunft suspendiert wurde; dass dieser Herr mich seit mehreren Jahren verfolgt, ist mir bekannt. Ich kann auch beweisen, dass er angeordnet hat, auf meine Fehler acht zu geben. Da war all die Jahre nichts zu berichten, bis man sich einer Gelegenheit bediente: als die unzucht meines knechts und meiner leiblichen schwester Tochter ans offene kame – obwohl diese ihr verbrechen bekannt und mit einer Eydschwur bekräftigen müssen, auch beide sind gestraffet worden – nach gehaltenen sendgericht solche columnisse und ehrendiebische reden geführt; als hätte ich eine verständnis mit meinem knecht Janns, ist dem Herrn von Nagel von meinem größten feind gesagt worden. Ich hätte dem knecht 300 Rthl gebotten aber 700 wollte er haben....

Bei einem Besuch hat Herr von Nagel mich dieser in Gegenwart von Geistlichen bloßstellen wollen, diese Herren aber bekräftigten es nicht zu tun, denn sie wüssten, dass ich unschuldig sei und dass meine Gegner genau dies erreichen wollten, nämlich dem Pastor bei Ihrer Excellenze allen Glauben, Respekt und Ehre zu nehmen. Ich wurde nochmals bei Tisch in Gegenwart der gnädigen Frauen examiniert und gefragt, ob ich den Kerl noch im Hause hätte, was ich bejahen musste; meine Nichte hätte ich letzte Woche zu ihrer Mutter geschickt. Den Kerl aber hätte ich aber wegen des Ackerbaus noch 14 Tage im Hause. Da entschied Herr von Nagel, dass er anderntags mir seinen Hausgeistlichen und den Notar als Zeugen vorbeischicken wollte, vor denen der Knecht sein Verbrechen nochmals bekennen sollte; alsdann sollte ich ihm seinen Lohn geben und aus dem Haus jagen, was auch geschehen ist...

Abbildung 3: Brief Schwerbrocks

 

 

Alles dies ist vom Commissario nicht protokolliert worden, auch nicht, als ich ihm Rede und Antwort stehen konnte und auch nich,t als ich ihm sagte ,dass der Kerl mir Korn im Wert von 100 Rthl  unter Beihilfe meiner Nichte gestohlen und an einen Fuselbrenner verkauft hätte. Als der Commissario Beweise verlangte, sagte ich ihm, dass der Fuselbrenner ihm ein Haus im wert von 90 Rthl gekauft hätte, was im ganzen Dorf bekannt sei.“

 

Des Weiteren ging der Pastor auf das Schicksal seiner Nichte ein, die notgedrungen den Knecht Janns heiraten wollte und der er dafür die damals notwendigen Papiere besorgte. Das Kind der Nichte starb darüber. Dann legte er in einem Rückblicht seinen Lebenslauf mit seinen Leistungen an den verschiedenen Orten dar und wie er mit Lob überschüttet wurde. Beste Leistungen als Kaplan wurden ihm schriftlich vom Herrn von Fürstenberg bestätigt. Als Pastor Nagel im Oktober 1750 starb, wurde er gleich sein Nachfolger. Dreimal wurde während seiner Amtszeit die Pfarre vom Archdiakon visitiert, und jedes Mal gab es beste Ergebnisse für ihn und seine Pfarrei, auch die mehrfachen Sendgerichte waren zufriedenstellend. Den Küster, Schulmeister, Organist und die Sängerinnen auf der Orgelbühne bezahlte er bei besonderen Anlässen in der Kirche aus seinem „Sack“ selbst. Trotz aller von ihm erbrachten Leistungen fühlte er sich hintergangen und seiner Ehre, sowie Hab und Gut beraubt. Er habe alles getan, was ihm empfohlen wurde zu tun, um gerechtfertigt aus dem Verfahren herauszukommen. Auf sein geschätztes Vermögen von 2000 Talern hatte er keinen Zugriff mehr.

 

„Ihr habt mir empfohlen, mich bei meiner Verhandlung der hohen Obrigkeit zu Füssen [sic!] zu legen, mich auch dem Herrn Jochmaring bei der Verhandlung (im Kloster) zu fügen ...in summa habe ich alles getan, was die Herren verlangt haben....Ich habe kein Geld mehr, habe keinen Zugriff auf meinen Besitz und die mir zugesagten Gelder. Daher habe ich unlängst meinen Balbierer (Frisör) zu dem Halbeck geschickt, damit er ihm den ausstehenden Jahreslohn auszahle, wurde aber abgewiesen. Ich muss mir für den täglichen Bedarf Geld von meinem Bruder leihen. Meine Güter sind verkauft, wo die Gelder bleiben, weiß ich nicht. Ich hoffe nicht, dass von meinem Geld Rechnungen bezahlt werden, die ich nicht selbst abgezeichnet habe...Ich bitte demütigst den lieben Herrn geheimen Rat diesem Treiben Einhalt zu gebieten...zwei meiner Knechte haben schon falsche Rechnungen eingereicht.“

 

Hier kann man feststellen, dass er seinen Kollegen und späteren Nachfolger auch zu seinen Gegnern zählt, denn er schreibt nur von dem ´Herrn Jochmaring` und nicht vom Pfarrer und das Schreiben gipfelt in der Aussage:“wurden von meinen feinden ehrlose bosheiten erdacht, besonders von einem geistlichen der alle tage sacrifiret, wovon einen ehrlichen man grauen müsste.“

 Pastor Schwerbrock war 73 Jahre alt, als er diesen Brief voller Verzweiflung schrieb. Seinem Wunsch, als alter Pastor sein Erspartes zu genießen, ist nicht entsprochen worden; er hat das Kloster nicht mehr verlassen können und hat Herbern nicht wieder gesehen.

 

Franz Joseph Jochmaring

 

Franz Joseph Jochmaring (auch Jochmoring), geboren in  Dorsten am 15. November 1752, war von 1779 - 1807 Pfarrer in St. Benedikt. Er übernahm sein Amt in Herbern im September 1779, und er war der letzte in der Reihe der Pfarrer, die sowohl die geistliche als auch teilweise die weltliche Ordnung repräsentierten. Während seiner Amtszeit wurde das Fürstbistum Münster aufgelöst und somit zu einem Teil Preußens.

 

Bis dahin hatte das Gedankengut der Aufklärung, anders als in Teilen Westfalens, Herbern noch nicht erreicht. Man lebte noch immer in seinem kleinen übersichtlichen Umfeld und gehorchte den täglichen Sachzwängen. Im Übrigen sprach man Plattdeutsch. Die Mehrheit der Bevölkerung war trotz Schulbesuchs in der Jugend nicht genug geübt im Gebrauch der hochdeutschen Amtssprache, so dass man sich mit amtlichen Dokumenten an den Küster Humpers oder den Lehrer wandte, der häufig neben dem Lehrerberuf als Notar tätig war. Die Obrigkeit, repräsentiert durch Adel und Kirche, war bis dahin so sehr im alten Gedankengut verhaftet, dass die von ihr benutzte hochdeutsche Schriftsprache noch weit entfernt von der Sprache der deutschen Klassik war. In Münster aber fand eine kleine stille Revolution von oben statt. Mit Fürstenberg und Overberg waren zwei Männer im Bistum beratend und leitend tätig, die mit den Reformen, besonders mit der Schulreform, Entscheidendes bewirkten. Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren wurden schulpflichtig und Lehrer mussten ihre Befähigung nachweisen. Allmählich bis zur Jahrhundertwende machte sich die Schulreform durch bessere Bildung in der Bevölkerung bemerkbar.

 

Wenn man die Dokumente im Pfarrarchiv dieser Zeit vor der französischen Revolution liest, kann man sich vorstellen, wie viel Bücklinge oder andere unterwürfige Handlungen die Bevölkerung und selbst die örtliche Geistlichkeit gegenüber der Obrigkeit immer noch machte. Alles dies wird ausgedrückt in einem Schreiben des Pastors an den Generalvikar. Im März des Jahres 1781 nämlich wird Herbern durch einen Raubüberfall mit Todesfolge erschüttert. Dadurch, dass das Opfer aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen in Herbern beerdigt werden sollte, der Tote aber nicht katholisch war, hatte der Pastor ein Problem: Wie sollte er die Beerdigung durchführen? Das Schreiben wurde durch einen Boten überbracht, der auch die Antwort dem Pfarrer versiegelt zurückbrachte:

 

Euer Hochwürden erlauben mir unterthänigst diesen expressen Bothen an Sie zu schreiben, in dero Befehl den hier vorgefallenen Fall zu vernehmen.

Ein Kaufmann aus Solingen gebürtig, mit Namen J. Wilhelm Kleine, reformierter Religion, wurde den 22ten dieses [Monats] ohngefehr eine halbe Stunde von Herberen, von Spitzbuben angefallen, durchs Knie geschossen, und starb heute den 26ten allhier im Dorfe Herberen. [Die Tat geschah in der Nähe von Kreuzkamp in der Bauernschaft Forsthövel.]

Euer Hochwürden wollen mir also gefälligst durch diesen Bothen dero Befehl zukommen lassen, wie ich als Pfarrer mich bei der Beerdigung dieses Mannes verhalten soll, und wo ich ihn soll begraben lassen, mit oder ohne Geläut der Glocken, ob ich nach römisch katholischer Ceremonica die Leiche zum Grabe bringen, und falls ich von seinen Freunden sollte ersucht werden, auch Exquiem vor dem Verstorbenen halten soll.

In Erwartung dero Befehl habe ich die Ehre mit dem innersten Gefühl der Danksagung für so viele Wohltaten mich zu nennen meines Hochwürdigsten Hochwohlgeborenen Hochgelobtesten besonders hochgeehrtesten Herrn, Herrn Administratus

                                                                                  Unterthänigsterr
Herberen, d. 26ten                                                 Diener

März 1787

                                                                                  Joseph Jochmaring
                                                                                              Pastor in Herberen“

 

Auf der Rückseite antwortet der Administratus in einer (kaum lesbaren) schnellen Schrift. Der Inhalt ist sinngemäß folgender: Falls der Pfarrer die Person vor dessen Tod aufgesucht hat und dieser durch den Pfarrer die Absolution erhalten hat, wird er wie alle Katholiken beerdigt, also mit Glockengeläut und Exquiem. Im anderen Falle soll er auf dem Heidenfriedhof oder in einem am Rand gelegenen Grab beigesetzt werden; der Pfarrer darf in schwarzer Kleidung an der Beerdigung teilnehmen; Glockengeläut ist aber untersagt. – Das war eine klare Antwort zu einem Problem, dass einige Jahre später bei den Preußen oder Franzosen in der Form nicht mehr existierte.

 

Aus der Zeit dieses Pfarrers lebt eine Erzählung in unserm Dorf, die von Günther Lube aufgeschrieben wurde und hier mit seinen Worten, oder wie er sie in einer anderen Quellen gefunden hat, wiedergegeben werden soll:

 

“An einem Sonntag nämlich wird unter dem Hochamte beim Evangelium plötzlich die Sturmglocke gezogen, und durch die Kirche verbreitet sich alsbald die Kunde, dass böses Volk, Spitzbuben und Raubgesindel im Kirchspiel sein Unwesen treibe. Alles stürmte aus der Kirche und Pfarrer Jochmaring, der das Hochamt zelebriert, fährt nicht weiter fort, sondern legt hurtig die Paramente ab und zieht mit seinen Parochianern ins Kirchspiel, um die Spitzbuben aufzusuchen. Man findet sie in einem Versteck, macht mit ihnen kurzen summarischen Prozess und sie für alle folgenden Fälle unschädlich, d. h. todt; kehrt dann zum Dorf und zur Kirche zurück, und Jochmaring fährt jetzt  mit dem Hochamte fort.“

Diese Geschichte klingt in dieser Form unwahrscheinlich, doch wird sie einen wahren Kern haben, denn noch lange existierte das Evangeliums-Läuten im Andenken an jenen Vorfall.

 

Westfalen war zum Ende des 18. Jahrhunderts ein kurioses Gebilde. In den preußischen Teilen hatte sich ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem „Flickenteppichstaat“ entwickelt, das den Münsterländern völlig fehlte. Man gehörte zum Bistum Münster, war jetzt fast ausschließlich katholisch und lebte vom Handwerk und der Landwirtschaft oder man verdingte sich als Gastarbeiter in Holland. Als Westfale hatte man im Reich ohnehin keine gute Reputation, man galt als ungebildet, unbeweglich und ein bisschen geistig beschränkt, etwa wie im 19. Jahrhundert die Bayern und im letzten Jahrhundert die Ostfriesen. Verursacht oder verstärkt hat dieses Vorurteil Voltaire, der große französische Vordenker der Aufklärung. Er lässt seinen Helden Candide durch ganz Europa reisen, der wegen seiner Tollpatschigkeit überall negativ auffällt. Es gibt mehrere Versionen, wieso er ausgerechnet einen Westfalen als Negativhelden darstellte. Eine Version wurde dem Verfasser vor einigen Jahren in Hultrop bei Soest in der Gaststätte Nordhoff, zu der auch eine Brennerei gehört, erzählt: Die Gaststätte Nordhoff war eine Postkutschenstation an der preußischen Strecke von Kleve nach Potsdam. Wenn Voltaire diese Strecke zum Besuch des Preußenkönigs bereiste, machte er in Hultrop  Rast. Während einer solchen Reise soll er eines Abends mit den Hultropern bei einem Trinkgelage in Streit geraten sein, wobei er von den Dorfbewohnern Prügel bezog. Aus Rache soll er daher den Westfalen als ungehobelten, ungebildeten Menschen dargestellt haben.

 

Bald schon verbreiteten sich die ersten Gerüchte: In Frankreich tobten unglaubliche Ereignisse. Die Bevölkerung habe sich, was ein nie da gewesenes Vergehen sei, gegen den Adel und die Kirche erhoben. Man war erschüttert über das Vorgehen gegen die überkommene Ordnung. Plötzlich kamen die ersten Priester und die ersten Adeligen als Flüchtlinge in das Bistum und wurden auf die Pfarrgemeinden verteilt. Westfalen -  und besonders das Münsterland - wurde das gelobte Land der Flüchtlinge. Preußen bot seine Stadt Hamm an, und bald war Hamm von einem bunten Menschentross überschwemmt, über deren Gehabe und Benehmen die biedere Bevölkerung nur den Kopf schüttelte. Der niedere Klerus war im Gegensatz zu der höheren Geistlichkeit überwiegend sehr aufgeschlossen und half in den Gemeinden, so weit es die sprachlichen Barrieren erlaubten. Viele französische Geistliche, besonders die aus dem Elsass und aus dem deutsch sprechenden Teil Lothringens, gaben Unterricht in der französischen Sprache. Bei uns in Herbern wurden 3 Geistliche aufgenommen, die bei Humpers, German und Westhoff wohnten.

 

Der hohe Klerus stellte häufig ungerechtfertigte Ansprüche, die manchmal zu heftigen Streitereien führten; man wollte auf das bisher gelebte angenehme Leben nicht verzichten. Die Aufnahme der Flüchtlinge war nicht ganz uneigennützig. Hatte man im Reich, besonders aber in Preußen, doch vor einem guten Jahrhundert mit den Hugenotten beste Erfahrungen gemacht und erwartete daher auch einen kulturellen und wirtschaftlichen Schub für das Land.

 

Hinzu kam, dass die Preise für landwirtschaftliche Produkte explodierten, was ein Segen für das Dorf zu sein schien. Innerhalb weniger Jahre konnten die Schulden aus der Zeit des 7-jährigen Krieges getilgt werden. Es wurde wieder viel investiert, abzulesen an den Jahreszahlen der neu erstellten Gebäude.

 

Durch das Eingreifen der europäischen Fürsten eskalierte die Situation in Frankreich, das militärisch erstarkte. Plötzlich floh der kurfürstliche Bischof von Köln in blinder Eile nach Arnsberg ins Sauerland, im Gepäck den goldenen Schrein der Heiligen Drei Könige. Durch den Verkauf von einigen massiv goldenen Apostelfiguren am Schrein konnte er ein den Umständen entsprechendes angenehmes Leben weiter führen. Mit der Machtübernahme Napoleons verschwanden die Flüchtlinge überwiegend wieder.

Die Erschütterungen der französischen Revolution veränderten das kirchliche und weltliche Leben in unserer Gemeinde grundlegend.

 

Schluss:

 

Den Autoren ist klar, dass an dieser Stelle eine Zäsur vorliegt. Es ist geplant, die Geschichte von St. Benedikt für das 19. und 20. Jahrhundert in gleicher Weise fortzuschreiben und eine Biografie der einzelnen Pfarrer neu zu erstellen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhang

 

1Schwieters, J.: Pfarrchronik von St. Benedikt Herbern

2 Johann Graf von Hoya (* 18. April 1529 in Wiburg; † 5. April 1574 in Schloss Ahaus) war bis zu seinem Tode unter dem Namen Johann II. Fürstbischof von Osnabrück seit 1553, Münster seit 1566 und Paderborn seit 1568.

(http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_II._von_Hoya)

3 Johann Conrad Schlaun (1695 - 1773) war ein deutscher Baumeister des Barocks, der u.a. das „Westfälische Versailles“ (Schloss Nordkirchen) und in Münster zahlreiche Bauten wie das Schloss und den Erbdrostenhof schuf.

4 Wilhelm Elling: Der Nachlass des Pfarrers von Ottenstein von, Vreden, in: Jahrbuch des Kreises Borken 2003

5 Stadt Münster: Münster und Westfalen zur Zeit des Westfälischen Friedens, Münster 1997

6 Schwieters, Julius: Geschichtliche Nachrichten über den östlichen Teil des Kreises Lüdinghausen, Münster 1886, Seite 302.

7 BAM, A13/1; Seite 251

8 Es handelt sich hier um das Fachwerkhaus Schüttwall 26, jetzige Besitzerin Frau Marlies Köckmann, davor Familie Josef Höhne.

9 Jan Brademann und Werner Freitag: Leben bei den Toten, Rhema-Verlag, 2007

10 zitiert nach Farwik, Josef: „Herbern - Geschichte eines Dorfes im Münsterland“, Dülmen, 1985, S. 163

11 Das Haus stand früher da, wo heute „Schlecker“ ist.

12 Farwick (s.o), S. 163f.

13 dsb., S. 165

14 Josef Drees: „Beiträge zur Geschichte des Dorfes Herbern“, hrsg. in Herbern, August 1992, S. 56 f.

15 Julius Schwieters, Geschichtliche Nachrichten über den östlichen Teil des Kreises Lüdinghausen, Seite 302

16 BAM, Akte Herbern, 13/1